21. April 2016

Lettland - Drohnenland

Auch in weniger dicht bevölkerten Ländern als Deutschland rufen die neuen Spielzeuge am Himmel zunehmende Sorgen hervor. "Lettland - eine Drohnengroßmacht" titelte die Tageszeitung "Latvijas Avize" vor einer Woche, und listete die verschiedenen Einsatzgebiete der mehr oder weniger kleinen Flugapperate auf. Vielleicht lässt sich sogar der Reihenfolge nachvollziehen, die dort vorgegeben ist - als lettische Prioritätenliste.

“Drones technology”, “UAV Factory”, “Rīgas dronu fabrika”, “UAV Tools”, “AirDog”, “Aerones”- das sind nur einige der Firmen, die sich in Lettland nur mit der Herstellung der Flugapperate beschäftigen. Viele davon sind "Start-up's" junger Leute, und die lettische Presse - auf der Suche nach nationalen Erfolgsgeschichten - berichtet deshalb gern darüber.
So sehen Träume von Drohnenherstellern aus ...
Überall werden unterschiedliche Modelle vorgestellt, meist mit Foto und in einer Art und Weise, als ob "Männerspielzeug" beworben wird. 85 Angestellte hat, einem Bericht bei TVNet zufolge, "Ventspils elektronikas fabrika", die als Tochter der "Hansamatrix" das Modell "Air Dog" herstellen möchte, eine Drohne die damit wirbt automatisiert Sportlern, Autos und anderen beweglichen Objekten zu folgen und diese "in Aktion" von oben zu filmen. Für Agris Ķipurs, einem der Projektverantwortlichen, war dies offenbar vor allem eine Frage der Durchsetzung gegen andere lettische Firmen - und finanziell enorm wichtig, da die Firma zuletzt einen Umsatz von 1,4 Millionen Euro auswies, aber auch 103.000 Euro Verluste (TVNet). Die fertige Drohne wird gegenwärtig für 1600 US-Dollar angeboten (AirDog Shop).

Dem entsprechend wirbt auch schon Aivars Lembergs, Bürgermeister von Ventspils, mit der "Drohnenindustrie", und rechnet mit insgesamt 70 Arbeitsplätzen für seine Stadt (TVNet); das Projekt soll mit Fördermitteln der EU und der lettischen "Investitions- und Entwicklungsagentur LIAA" (Latvijas Investīciju un attīstības aģentūra) realisiert werden.

Dem gegenüber stellt Raivis Šveicars in der "Latvijas Avize" eher den Nutzen von Drohnen für die Landwirtschaft heraus; langfristig könne ein Drohneneinsatz die Kosten um 40% vermindern und den Ertrag um 15% steigern. Angebllich soll das Flugobjekt dann auch noch Ackerstellen ausmachen können, die zu wenig gedüngt wurden, oder Pflanzen punktgenau ausweisen, wo Krankheiten sich auszubreiten drohen. Er beruft sich dabei allerdings nur auf Werbeaussagen - und Firmen, die aus nicht viel mehr als Facebook-Selbstdarstellungen und schönen animierten Fotos zu bestehen scheinen. Erstaunlich ist dann auch die Aussage, dass die Drohnenhersteller vor allem auf den Verkauf im Ausland hoffen; und das liegt nicht nur daran, dass lettische Kaufinteressenten vielleicht nicht das nötige "Kleingeld" für solche Anschaffungen haben. Nein, die lettische Regierung ist vielmehr schon dabei, genaue gesetzliche Regeln für den Einsatz von Drohnen auszuarbeiten, und die Hersteller wollen abwarten, wie diese ausfallen.

Die Umweltschutzämter der Gemeinden Rēzekne und Krustpils dagegen können schon auf praktische Erfahrungen verweisen, denn im Dezember 2015 investierte man dort 4228 (bzw. 3524) Euro in ein solches unbemanntes Flugobjekt (Latvijas Avize). Gegenwärtig übt man noch den praktischen Umgang mit dem Gerät. Erste Rückmeldungen von dort betonen, es sei wichtig dass die Geräte in diesem Fall völlig geräuschlos fliegen, also weder jemanden stören noch - in vielen Fällen - überhaupt bemerkt werden.

Die Hersteller von "Aerones" dagegen denken eher an Extremsportler, und haben ihre Produktentwicklung sogar auf die Entstehung einer neuen Sportart abgestimmt: bisher war von "Snowboarding" die Rede, jetzt soll es "Drohnboarding" werden (siehe Werbefilm). Bis zu 100kg Lastgewicht soll so ein Gerät - das allerdings auch bis zu 37kg schwer sein kann - bewältigen können.

Im Hinblick auf mögliche neue, eher beschränkende Gesetze blicken lettische Drohnenfans auch nach Großbritannien, wo es für jeden, der eine Drohne fliegen lassen möchte offenbar bereits Vorschrift ist, bei der zuständigen Behörde (“Civial Aviation Authority”) eine Zulassung dafür zu beantragen. Kosten: mindestens 2000 Euro. Bewohnten Orten dürfen die fliegenden Kameras sich in GB nicht mehr als 150 Meter nähern, Einzelpersonen und Häusern nicht näher als 50 Meter - und auch niemand überfliegen (im Falle von Verstößen sind sogar Gefängnisstrafen möglich). Kindern ist die Nutzung komplett verboten.

Vieles vom Rest ist Spielerei. Im Internet sind bereits Filmchen zu sehen, wo Hunde oder Katzen mit Drohnen spielen, der Grill damit befrischluftet wird, oder getestet wird wie viele Trauben, Banenen oder Bratwürste eine fliegende Drohne zerteilen kann. Abgesehen von Schäden, die durch fehlende Sensibilität gegenüber Mitmenschen oder der Natur versursacht werden können, droht lettischen Drohnen noch eine andere Gefahr: in den Kaufhäusern und Supermärkten sind bereits die ersten Geräte aufgetaucht, die schon ab 15 Euro erstanden werden können.

In Deutschland sollen insgesamt angeblich bereits 400.000 Drohnen unterwegs sein - so Luftfahrtjournalist Andreas Spaeth in der Sendung "Markus Lanz". Der Beinahe-Unfall des Skirennfahrers Markus Hirscher und die Warnmeldungen von vielen Flughäfen, wo unkontrolliert fliegende Drohnen zur echten Gefahr für die Luftfahrt werden, markieren ebenfalls den Trend. "Wir verkaufen ja nur die Technologie, den Rest bestimmt der Gesetzgeber" - so war in dieser Woche ein deutscher Firmenvertreter im deutschen Fernsehen. Nicht ohne hinzuzufügen: "Wenn es immer weitere Regeln gibt, ist das nicht sonderlich förderlich fürs Geschäfts."
Sei's drum: Lettland ist unter anderem für seine Naturlandschaften bekannt, weiträumige Wälder, Strände oder Flußlandschaften. Den Tieren und der Umwelt ist zu wünschen, dass sie nicht bald gegen "nicht-tierische Konkurrenten" am Himmel kämpfen müssen, und uns allen, dass die sprichwortliche "Ruhe der Natur" erhalten bleibt. 

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