28. April 2005

(zum Beitrag "Keine Gesellen, nirgends," in: Die Welt, 16.04.2005 - als Brief an die Redaktion). Siehe auch: "In Ballschuhen für Lettland" auf dieser Seite.


Beitrag von Prof. Dr. Valters Nollendorfs, Mitglied der Historikerkommission Lettlands
Lösung vor der Endlösung?

Wenn es auf kollektive Verantwortung ankommt, sollte man vorsichtiger vorgehen, als es Ihr Rezensent Michael Wolffsohn tut ("Keine Gesellen, nirgends," Die Welt, 16.04.2005.). Sandra Kalniete hat recht getan, mit einem Mythos aufzuräumen, der - von den Nazis in die Welt gesetzt, von den Kommunisten später eifrig weiter propagiert wurde - dass die Osteuropäer, darunter die Letten, den Holocaust ohne deutsche Teilnahme selber ausgelöst hätten. Leider geistert diese Vorstellung und Anschuldigung noch immer in der Historiographie und noch mehr in der Mythographie.

Die neueste historische Forschung, die nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit auch in Lettland schonungslos durchgeführt wird, zeigt ein anderes Bild. Dass es lettische Gesellen gegeben hat, die am Holocaust teilgenommen haben, steht ausser Frage, und es werden immer mehr Details über die Holocaust-Ereignisse und ihre Ursachen in der zweiten Jahreshälfte 1941 entdeckt. Ausser Frage steht aber auch, dass diese Gesellen wirklich die Rolle der Gesellen spielten und dass der Holocaust im Osten von den Nazis nicht nur geplant, sondern auch geleitet wurde und zwar so, dass der Eindruck entstehen sollte, die Einheimischen hätten das Morden selber ausgelöst.

Dies scheint auch die ursprüngliche Absicht gewesen zu sein, als am 29. Mai 1941 eine hochrangige Sitzung im Aussenpolitischen Amt, also vor dem Angriff, folgerte : "Dass die Juden selbstverständlich von uns als Hauptschuldige hingestellt werden, wird sicher von der gesamten Bevölkerung [der besetzten Länder] begrüsst werden. Die Judenfrage kann zu einem erheblichen Teil dadurch gelöst werden, dass man der Bevölkerung einige Zeit nach Inbesitznahme des Landes freie Hand lässt" (AA, R 105193).

Einen Monat später am 29.06. und 02.07.1941 gab Reinhard Heydrich Anweisungen an die Leiter der Einsatzgruppen, aus denen schon ein gezielter zynischer Plan hervorgeht: "Den Selbstreinigungsbestrebungen antikommunistischer und antijüdischer Kreise in den neu zu besetzenden Gebieten ist kein Hindernis zu bereiten. Sie sind im Gegenteil, allerdings spurenlos auszulösen, zu intensivieren wenn erforderlich und in die richtigen Bahnen zu lenken, ohne dass sich diese örtlichen "Selbstschutzkreise" später auf Anordnungen oder auf gegebene politische Zusicherungen berufen können. Da ein solches Vorgehen nur innerhalb der ersten Zeit der militärischen Besetzung [...] möglich ist, haben die Einsatzgruppen- und kommandos [...] raschestens in die neu besetzten Gebiete wenigstens mit einem Vorkommando einzurücken, damit sie das Erforderliche veranlassen können" (zitiert nach Die Einsatzgruppen in der besetzten Sowjetunion 1941/42. Die Tätigkeits- und Lageberichte des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Hrsg. P. Klein, Berlin, 1997, S. 319, meine Hervorhebungen).
Dass es mehr "Auslösung" und "Veranlassung" als "Selbstreinigung" war, ist in den Geheimberichten des Kommandanten der Einsatzgruppe A Walter Stahlecker nachzulesen: "Nach dem Terror der jüdisch-bolschewistischen Herrschaft [...] wäre ein umfassendes Pogrom der Bevölkerung zu erwarten gewesen. Tatsächlich wurden jedoch durch einheimische Kräfte nur einige tausend Juden aus eigenem Antrieb beseitigt. Es war notwendig, in Lettland unter Sonderkommandos, unter Mithilfe ausgesuchter Kräfte der lettischen Hilfspolizei (meist Angehörige verschleppter oder ermordeter Letten) umfangreiche Säuberungsaktionen durchgeführt" (zitiert nach Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem internationalen Kriegsgerichtshof, Nürnberg, 14. November 1945 / 1. Oktober 1946, Bd. 30, Nürnberg, 1948, Dok. 2273-PS, meine Hervorhebungen).

Das sind Dokumente, die längst zugänglich aber unbeachtet geblieben sind und ein klares Bild aufzeigen. Ich bin einem Artikel des Historikers Dr. Karlis Kangeris, Universität Stockholm, verpflichtet, in dem diese Dokumente aufgeführt werden. Demnach war es also schon vor Kriegsanfang vorgesehen, im Osten massenweise Judenmord auszulösen und die Schuld den Einheimischen zuzuschieben. Es waren dabei nicht nur die SD-Einsatzkommandos, sondern auch die Wehrmacht in dieses Vorgehen eingeweiht und zur Durchführung verpflichtet. Zu diesem Zweck wurden lettische Männer bei den Exekutionen fotografiert. Zitate, die das Gegenteil behaupten, stammen zum Teil von überlebenden Opfern, die hinter den Tätern die Dratzieher nicht sehen konnten, zum Teil von uneingeweihten zufälligen Beobachtern oder aber von Leuten, die gezielt im Sinne des Nazi-Vorhabens Desinformation verbreiteten, einschließlich Hitler selbst (im Gespräch mit dem kroatischen General Kvaternik am 22.07.1941.). Aus diesen Kreisen stammt auch das verwandte Gerücht, dass die Letten und Ukrainer für das Morden besser geeignet gewesen seien als die Deutschen.

Die zahlreichen neuesten, von der Historikerkommission Lettlands beauftragten historischen Untersuchungen zum Holocaust im besetzten Lettland, ergeben ein klares Bild und bestätigen somit die oben zitierten Dokumente: (1) Es gab kein nennenswertes Interregnum zwischen der Flucht der Roten Armee und dem Einmarsch der Wehrmacht. Die lettischen Partisanen waren vor allem an Verhaftung von kommunistischen Machthabern und Verfolgung der sowjetischen Soldaten interessiert. Es gibt keine Beweise, dass sie während dieser Zeit jüdische Mitbürger verfolgt oder ermordet hätten. (2) Die ersten Judenmorde wurden von Mitgliedern der Einsatzgruppe A verübt. "Mithilfe ausgesuchter Kräfte" zu diesem Zweck fing erst nach dem Einmarsch der Wehrmacht und der "raschestens" folgenden Einsatzgruppe A an, die "das Erforderliche veranlasste." Fast alle Judenmorde waren geplant und wurden unter kontrollierten Zuständen und Trotz hetzerischer antijüdischer Propaganda nicht "ausufernd" und "eigenmächtig" durchgeführt, wie aus dem vom Rezensenten angeführten Zitat Raul Hilbergs hervorzugehen scheint.

Damit wird die Teilnahme von Letten an der Durchführung von NS-Judenvernichtungsplänen weder geleugnet noch gerechtfertigt. Es gab Gesellen. Es gab vor dem Holocaust, wie allerorts, auch in Lettland gewissen Antisemitismus, aber weder "breit" noch "tief" - woher weiss es der Rezensent? Es gab im unbhängigen Lettland keine Pogrome und keine Ghettos. Es gab diverse jüdische Minderheitenschulen. Die nationalistische antisemitische Organisation Perkonkrusts war verboten. Vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs durften sogar einige tausend Juden aus Deutschland in Lettland zuflucht finden. Seit dem 17.6.1940 gab es aber keine lettische Staatsmacht mehr, die hätte eingreifen können. Schon deshalb ist die bereits von den Nazis praktizierte Zuschiebung kollektiver Verantwortung entschieden abzulehnen. Diese wurde aber, wie Sandra Kalniete in ihrem Buch richtig beschreibt, später von den Kommunisten als ein Mittel der Einschüchterung und Unterdrückung eingesetzt und weltweit verbreitet. Nicht nur. Man braucht noch immer nur einige russische Internet-Seiten zu besichtigen, um die Verbindung Letten-Faschismus-Nazismus explizit dargestellt zu sehen und lesen.

Jahrzehntelang war es dem lettischen Volk verwehrt, die Wahrheit zu erforschen und sich den Verleumdungen zu widersetzen. Heute kann man mit Sicherheit behaupten: ohne die Nazis hätte es keinen Holocaust in Lettland gegeben. Weiterhin: ohne die erste kommunistische Besatzung hätten die Nazis höchstwahrscheinlich auch keine Helfershelfer gefunden. Und: ohne die zweite kommunistische Besatzung hätte man nicht 50 Jahre warten müssen, bis die Tatsachen ans Tagelicht kommen.

Der größte Massenermord auf lettischem Boden fand am 30.November und 8. Dezember 1941 statt. Die Erschießungen in Rumbula von etwa 25 000 Juden des Rigaer Ghettos leitete und überwachte Friedrich Jeckeln, der Höhere SS- und Polizeiführer im Ostland, in Anwesenheit mehrerer hoher Nazi-Beamten, als Meister persönlich die Exekutionen und statuierte somit den Gesellen ein Exempel, indem seine 10-12 SS-Männer an zwei Tagen fast mehr Leute umbrachten, als die Gesellen es in zwei Monaten der ersten Ermordungswelle es geschafft hatten. (Andrew Ezergailis, The Holocaust in Latvia 1941-1944, Riga, 1996, S. 239-70, Kalniete, 93-95).

Die berühmte Wannsee Endlösungs-Konferenz fand am 20. Januar 1942 statt. Die "Judenfrage" in Lettland war schon einen Monat davor "gelöst." Von etwa 90 000 lettischen Juden waren 65-70 000 tot.

27. April 2005

In Ballschuhen für Lettland

Sandra Kalniete war ehemals lettische Botschafterin in Frankreich, dann Aussenministerin, und kurzzeitig designierte erste EU-Kommissarin Lettlands - bis im Spätsommer 2004 ein in Lettland neu ins Amt gekommener Interims-Regierungschef eine andere Kandidatin bevorzugte. Unter den Letten in der ganzen Welt ist Kalniete bekannt - nicht unbedingt wegen ihrer politischen Tätigkeit (sie kam übrigens ins Amt der Aussenministerin, ohne einer Partei anzugehören), sondern wegen einem Erinnerungsbuch. In den 90er Jahren hat sie die Geschichte ihrer Familie zusammengetragen. "Mit Ballschuhen im sibirischen Schnee" (in der deutschen Fassung kürzlich beim Herbig-Verlag erschienen), thematisiert die Geschichte der Familie Kalniete, vor allem der Gro�eltern und der Eltern der Autorin. Damit berührt die Autorin die lettische Seele - denn Tausende Letten haben Ähnliches erlebt.Wie schmerzvoll diese Aufarbeitung war, und welch große Wissenslücken wohl im europäischen Westen über die Schrecken des stalinistischen Terrors wohl noch bestehen, zeigen die Reaktionen auch von Vertretern der deutschen Medienlandschaft. Dort sieht man vor allem die Erinnerung an die Schrecken des Holocaust gefährdet - vielleicht auch zurecht. Dass man aber, vielleicht aus innenpolitischen Ängsten heraus (denn neue Nazis will natürlich niemand haben, auch wir Lettland-Freunde nicht!!), dann gleich die sehr ehrlich gemeinte Aufarbeitung der in Lettland selbst erlebten vielen anderen Schrecklichkeiten gleich mal mit denuziert und abqualifiziert, das wirkt zumindest hochmütig und unangemessen.

So meinte Prof. Dr. Wolffsohn kürzlich in einem Beitrag in der WELT, Kalniete wolle mit ihrem Buch "Lettland reinwaschen". Auch er schafft es, auf den hauptsächlichen Inhalt des Buches mit kaum einem Wort einzugehen. Wieder andere seiner Journalistenkollegen schreiben immer wieder den einen Satz, der Salomon Korn zugeschrieben wird, als er anläßlich der Buchpräsentation auf der Buchmesse Leipzig 2004 den Saal verliess: "eine Gleichsetzung von nazionalistischen und stalinistischen Verbrechen ist unerträglich". In Kalniete's Orgininaltext dagegen ist tatsächlich der Satz über die lettischen Opfer des Stalinismus zu finden: "Erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erhielten die Forscher einen Zugang zu den archivierten Dokumenten und Lebensgeschichten dieser Opfer. Diese belegen, daß beide totalitäre Regime - Nazismus und Kommunismus - gleich kriminell waren."

Es scheint "populär" in gewissen Kreisen zu sein, nun diese These vom "gleich kriminellen" Charakter immer wieder als Beleg für neue rechte Tendenzen zu nehmen. Ist denn aber damit nicht einfach erstmal ausgesprochen, dass der Stalinismus, und damit das, was damals im Namen der Sowjetunion angerichtet wurde, "gleichartig kriminell" anzusehen sind?
Oh, wunder, wer das nicht akzeptieren kann, und dann - an den Inhalten eines ganzen Buches vorbei - eben NICHT auch mal etwas zu sibirischen Straflagern sagen mag (und dem dazu gehörigen menschenverachtenden System). Noch wird eben von der westeuropäischen Intelligenz kaum erkannt, in welcher Lage die Menschen in den baltischen Staaten damals waren. Das hat Auswirkungen: Erst heute (am Mittwoch, dem 27.4.05) äusserte der ehemalige CDU-Minister Eggert (Sachsen) in einer Diskussion über die EU-Erweiterung im Deutschlandradio: "Ich habe Litauen und Lettland besucht. Die Menschen dort reden nur noch Englisch, sie haben ihre eigenen Sprachen fast verlernt." (!!) Hurra, Herr Eggert, auch Sie haben noch nicht gemerkt, welche Kulturen und Völker da eigentlich der EU beigetreten sind! Dermaßen in die Irre geführt, fühlen sich dann auch die Deutschen vor den berufsmässigen Anti-Nazis erschreckt, die mit dem hoch erhobenen Finger auf die Letten (und ihre Nachbarn) zeigen!

Bei vielen Verlegern und Publizisten würden übrigens solche "Rezensionen" gar nicht angenommen - Thema verfehlt (würde der Rezensent nicht Wolffsohn heissen!)
Und noch dazu: der berechtigten Notwendigkeit einer Holocaust-Aufarbeitung auch IN LETTLAND Schaden zugefügt, Herr Wolffsohn - denn auf diese Art und Weise gewinnen Sie keinerlei Glaubwürdigkeit bei den Menschen dort. Aber das wollen Sie wohl auch gar nicht, und bedienen lieber, wie gesagt, die eigene innenpolitische Klientel.

Matthias Knoll, der Übersetzer des Kalniete-Buches, hat auf die Wolffsohn-Rezension reagiert. Im Folgende die Wiedergabe seiner Erwiderung, nachzulesen auf www.literatur.lv:
------------------------------------------------------------------------------
Einige Anmerkungen zu dem Artikel Keine Gesellen, nirgends von Michael Wolffsohn in der Welt vom 16. 4. 2005
(Rezension des Buches
Mit Ballschuhen im sibirischen Schnee von Sandra Kalniete)

1. Absatz
1. Sandra Kalniete wurde nicht im Gulag geboren. Nur die Oberhäupter der deportierten Familien wurden in Gulag-Lager interniert, Frauen und Kinder hingegen ohne Unterkunft, Verpflegung und Winterkleidung in sogenannten "Sonderansiedlungen" (zu Zarenzeiten "Verbannung" genannt) ausgesetzt (vgl. "Mit Ballschuhen im sibirischen Schnee",
S. 9 bzw. Leseprobe bei
http://www.literatur.lv/archiv/frisch03.htm).2. Nicht Sandra Kalnietes Eltern sind 1941 deportiert worden, sondern nur ihre Mutter Ligita. Ihr Vater Aivars wurde 1949 deportiert (vgl. "Mit Ballschuhen ...",
S. 8 bzw. Leseprobe bei
http://www.literatur.lv/archiv/frisch03.htm).(In der Tat finden sich diese beiden Ungenauigkeiten nicht nur in Michael Wolffsohns Rezension, sondern auch auf dem Klappentext des im Herbig Verlag erschienenen Buches von Sandra Kalniete.)
3. J?nis Dreifelds, seine Frau Emilija und seine Tochter Ligita wurden nicht deportiert, weil sie "eher Balten als Sowjetbürger sein wollten". J?nis Dreifelds war vollkommen unpolitisch und gewillt, sich mit den Sowjets zu arrangieren (vgl. "Mit Ballschuhen ...", S. 37-39).
4. Der Oberbegriff "Balten" ist zwiespältig. Die Deutschbalten wollen ihn ausschließlich auf sich selber angewendet wissen (vgl. Bergengruen, von Vegesack u. a.). Esten definieren sich gemeinhin als Esten, Letten als Letten und Litauer als Litauer - auch und vor allem wegen der sehr unterschiedlichen historischen Erfahrungen dieser Länder.
5. Für die Sowjets waren Balten nicht nur Feinde, "sofern sie nach nationaler Selbstbestimmung strebten", sondern auch dann, wenn sie der wirtschaftlichen Mittel- oder Oberschicht angehörten, Intellektuelle waren, aufgrund von Denunziation auf einer der Deportationslisten standen - oder zufällig greifbar waren, wennn man zur Deportation vorgesehener Personen nicht habhaft werden konnte. Wie später die Erfüllung des 5-Jahresplans, stand auch hier die quantitative Erfüllung der "Norm" an erster Stelle (vgl. "Mit Ballschuhen ...", S. 166 ff.).

2. Absatz
1. Emilija Dreifelde starb nicht "an den Folgen der Zwangsarbeit", sondern aufgrund der unmenschlichen Lebensbedingungen in der Sonderansiedlung (vgl. "Mit Ballschuhen ...", S. 166 ff.).
2. Keineswegs galten die Letten "den Nazi-Ideologen als "dumme Bauern"". Mit der Beobachtung und Einschätzung der verschiedenen Gruppierungen innerhalb der lettischen Bevölkerung nahmen es die Gebietskommissare und Regierungsräte der Nazis sehr genau (vgl. entsprechende Berichte im Lettischen Historischen Staatsarchiv/LVVA, Fonds P-1018, Aktenverz. 1, Akte 2). So schreibt z. B. der Gebietskommissar in Mitau, SA-Standartenführer v. Medem, am 12. 8. 1941: "[...] Das entscheidende Mittel zur Erledigung jeder lettischen Staatsbestrebung ist: Die lettischen Kreise, denen man noch lettische Selbstverwaltung unter deutscher Aufsicht zubilligen kann, dürfen mit keiner lettischen Zentralstelle in Riga mehr verkehren, sondern sind in allem und jedem unterstellt dem deutschen Gebietskommissar, der über sie etwa die Tätigkeit eines russischen Gouverneurs vor 1914 ausübt. [...]" (Lettisches Historisches Staatsarchiv/LVVA, Fonds P-1018, Aktenverz. 1, Akte 2, Blatt 25).

Weiterhin waren die Männer im wehrfähigen Alter für die Nazis als Kanonenfutter von Bedeutung; so befahl Hitler am 10. Februar 1943 die Aufstellung einer "Lettischen SS-Freiwilligen-Legion", die aus völkerrechtlichen Gründen (Haager Konvention von 1907) der Waffen-SS unterstellt wurde. Aus dem Datum des Befehls geht übrigens hervor, daß lettische Angehörige der Waffen-SS nicht an den Massakern an Juden im Jahre 1941 beteiligt gewesen sein können, wie vielfach behauptet wird. Die von russischen und westlichen Medien zitierten "SS-Veteranen" - kein "dummer Bauer" war jemals Mitglied der SS-Eliteorganisation! -, die am 16. März zum Gedenken an die während verlustreicher Gefechte im März 1944 am Fluß Welikaja gefallenen Legionäre am Freiheitsdenkmal in Riga Blumen niederzulegen pflegen, haben sich niemals an Operationen gegen Zivilisten oder Juden beteiligt, sondern wurden ausschließlich an der Ostfront eingesetzt (vgl. "Mit Ballschuhen ...", S. 103 f. sowie Anm. 126 u. 127). Am 1. 8. 1943 schreibt der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Lettland in seinem Bericht: "Immerhin wirkt die [...] deutschfeindliche Propaganda der chauvinistischen Kreise doch noch erheblich nach, vor allem gerade auch in Kreisen der lettischen [Waffen-]SS-Legionäre und der Selbstschutzorganisationen. Hier wird - insbesondere in Offizierskreisen - die Notwendigkeit eines Schutzes des Landes auch vor den Deutschen im Falle eines Rückzugs der Deutschen oft erörtert. Es ist auffällig, daß [...] sich bei den in der Heimat in Ausbildung befindlichen Einheiten - vornehmlich im Offizierskorps - eine kraß nationalistische Einstellung und Ablehnung alles Deutschen immer stärker bemerkbar macht." (Lettisches Historisches Staatsarchiv/LVVA, Fonds P-1018, Aktenverz. 1, Akte 2, Blatt 180). Nichtsdestotrotz sahen sich die deutschen Befehlshaber veranlaßt, zur Motivierung der per Einberufungsbefehl eingezogenen Freiwilligen u. a. die Wiederherstellung eines unabh�ngigen Lettland zu versprechen (vgl. "Mit Ballschuhen ...", Anm. 125 u. 130).

3. Absatz
1. Sandra war nicht sieben (wie es auch im Klappentext des Buches fälschlich heißt), sondern viereinhalb Jahre alt, als ihre Eltern mit ihr nach Lettland zurückkehren durften (vgl. "Mit Ballschuhen ...", S. 9 bzw. Leseprobe bei
http://www.literatur.lv/archiv/frisch03.htm u. S. 302).
2. Sandra Kalniete war nicht "Botschafterin in mehreren Staaten", sondern in Frankreich und bei der UNESCO.

4. Absatz
1. "[...] stilistisch und kompositorisch eher unbeholfen, schwülstig, gefühlsüberfrachtet, selten analytisch": Diese Be- oder Verurteilung des Buches ist ohne jedes Beispiel - also keineswegs analytisch, sondern eher unbeholfen - in den Raum gestellt. An dieser Stelle fehlt der Rezension genau das, was sie zu einer Rezension machen würde (immerhin ist der Beitrag in der Rubrik "Literarische Welt" erschienen).
2. Kalnietes Buch ist in ihrer Heimat keine "innenpolitische Visitenkarte", sondern ein sehr persönlicher Versuch, sich von drei ihrer Großeltern, die kennenzulernen ihr infolge des sowjetischen Unrechtssystems nicht vergönnt war, ein Bild zu machen. Der Erfolg des Buches liegt darin begründet, daß fast jeder Lette in ihm das Schicksal seiner eigenen Familie exemplarisch erkennen kann.

7. Absatz
Wolffsohn behauptet, daß "Antisemitismus lange vor der deutschen Besatzung in Lettland, wie in den beiden anderen baltischen Staaten, breit und tief in der Gesellschaft verwurzelt war". Dem muß widersprochen werden. Richtig ist, daß die Verfahrensweise der Republik Lettland im Umgang mit - u.a. jüdischen - Flüchtlingen vor der Okkupation durch Hitler-Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Staaten mit am liberalsten war (vgl. "Mit Ballschuhen ...", Anm. 113). Die Anfang der 1930er Jahre gegründete faschistoide (und antisemitische) Perkonkrusts-Organisation mit ihren wenige Hundert zählenden Mitgliedern war 1934 verboten worden (vgl. "Mit Ballschuhen ...", Anm. 42). Der von 1918 bis 1940 existierende lettische Staat garantierte sämtlichen ethnischen Minderheiten souveräne Rechte (Religions-, Presse- und Versammlungsfreiheit) - und u.a. Schulbildung auf Jiddisch und Ivrit. Diese Toleranz war und ist weltweit einzigartig.Mein Freund
Anatols Imermanis (1914-1998), Dichter, lettischer Jude und in seiner Jugend Kommunist, saß von 1934 bis 1937 wegen kommunistischer Untergrundtätigkeit im Zuchthaus von Daugavpils. Seinen eigenen Worten zufolge wurde er dort "anständig behandelt und verpflegt" - und nach Verbüßung seiner Strafe entlassen. Wo sonst in Europa wäre zu diesem Zeitpunkt ein vergleichbarer Umgang mit Staatsfeinden - zumal mit jüdischen - vorstellbar gewesen? Der auch von Raul Hilberg anerkannte Holocaustforscher Andrew Ezergailis stellt fest: "Falls in Lettland vor 1918 ernstzunehmende antisemitistische Tendenzen zu beobachten waren, so wartet dieser Umstand noch immer auf seine Dokumentierung. Sowohl Mar?eris Verstermanis [der Leiter des Rigaer Museums Juden in Lettland, M.K.], der das Problem aus jüdischer Perspektive beleuchtete, als auch lettische Antisemiten, die in der Vergangenheit nach vermeintlichen Vorgängern forschten, kamen zu dem Schluß, daß es kaum oder sogar gar keinen Antisemitismus gab." (Andrew Ezergailis: The Holocaust in Latvia, 1941 - 1944: The Missing Center, 3. Kapitel "Antisemitism", 2. Absatz). Die Integration und unverbrüchliche Zugehörigkeit der Juden zur liv- und kurländischen Gesellschaft vor Gründung des lettischen Staates kommt in zahlreichen lettischen Volksliedern (dainas) oder in den Bühnenstücken von R?dolfs Blaumanis zum Ausdruck (insbesondere in dem bis heute meistaufgeführten lettischen Stück "Skroderdienas Silmacos" [Schneidertage in Silmaci] von 1902; der fahrende Schneider ist ein Jude). Siehe auch Frank Gordon: Latvians and Jews Between Germany and Russia, 1. Kapitel); vergleiche auch das Gedicht Die Jüdin von Aleksandrs Čaks von 1931.Nach der Annexion Lettlands durch Nazi-Deutschland haben Dutzende lettischer Staatsbürger Juden in ihren Häusern oder Kellern versteckt und gerettet; 35 von ihnen wurden vom Staat Israel als Gerechte unter den Völkern ausgezeichnet (vgl. "Mit Ballschuhen ...", S. 97 u. Anm. 118). Kalniete merkt an: "Die deutsche Information verschwieg, daß sich die Repressionen der Sowjets [gemeint ist die Massendeportation vom Juni 1941, M.K.] auch gegen 1771 Juden richteten - proportional die größte in Mitleidenschaft gezogene Bevölkerungsgruppe Lettlands. Laut neuesten statistischen Daten wurden 1,93% der lettischen Juden [von den Sowjets, M.K.] deportiert - im Vergleich zu 0,85% der ethnischen Letten [...]" ("Mit Ballschuhen ...", Anm. 115).

Letzter Absatz
Zitat Wolffsohn: "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland." Der Meister hatte viele Gesellen. Kalniete kennt und nennt nur den "Meister". - Richtig ist, daß Kalniete detailliert auf die Nationalität der an den Ermordungen Beteiligten eingeht (vgl. "Mit Ballschuhen ...", Anm. 110 und 119). Die Frage "Selbstkritik der Gesellen?" ist entweder unverständlich (ist Sandra Kalniete eine Gesellin des Meisters aus Deutschland? Oder hat sich der lettische Staat während seines Bestehens an Leib und Leben auch nur einer einzigen Person vergangen, so daß die Rechtsnachfolger jenes lettischen Staates die Verantwortung hierfür übernehmen müßten?) oder schlicht zynisch.Hinzufügen möchte ich, daß auch ein Meister einmal Lehrling war. Stalins Massendeportation vom 14. Juni 1941, da in einer einzigen Nacht (sic!) mehr als 60.000 Menschen aus fünf verschiedenen Ländern bzw. Regionen (Estland, Lettland, Litauen, Bukowina und Bessarabien) auf Grundlage entsprechend vorbereiteter Listen verhaftet, zu Verladebahnhöfen transportiert, in sorgfältig präparierte und zusammengekoppelte Viehwaggons gepfercht und über 6000 Kilometer in die lebensfeindlichen Weiten Sibiriens (die das Anlegen von Stacheldrahtzäunen und Wachtürmen überflüssig machen) verschleppt wurden, war eine logistische und organisatorische Meisterleistung, die Hitler nachhaltig beeindruckt haben dürfte. Auf Veranlassung Hitlers wurde Heydrich am 31. Juli 1941 von Göring mit der Ausarbeitung eines "Gesamtentwurfs" zur "Endlösung der europäischen Judenfrage" beauftragt, der während der Wannsseekonferenz am 20. Januar 1942 abgesegnet wurde. Daß es hier um die explizite Auslöschung des Judentums ging, bei Stalins Deportationen hingegen der Tod der Gulag-Häftlinge und Sonderangesiedelten "nur" billigend in Kauf genommen wurde, steht außer Zweifel.

Resumee
Insgesamt hat es den Anschein, als habe sich der Rezensent der Besprechung des falschen Buches gewidmet, geht es doch in Kalnietes Autobiographie um die Opfer des totalitären Sowjetregimes; diese Opfer sind nicht nach Nationalität, Rassen- oder Religionszugehörigkeit definiert, sondern durch eine (vermeintliche) Klassenzugehörigkeit sowie durch willkürliche zahlenmäßige Vorgaben, wieviele Personen zu deportieren seien (vgl. "Mit Ballschuhen ...", S. 36 bzw. Anm. 35). Nahegelegt wird diese Vermutung durch das Zitieren des fehlerhaften Klappentextes, die fehlende Auseinandersetzung mit der Gesamtgestalt des Buches sowie den in ihm dargestellten Personen und Fakten - und letztendlich die fehlende menschliche Anteilnahme am Schicksal der hier im Mittelpunkt stehenden nichtjüdischer Opfer des Totalitarismus in Europa. Gibt es vielleicht doch so etwas wie eine "Opferhierarchie"?Ich möchte Herrn Wolffsohn die Beförderung der Übersetzung von Ezergailis' Standardwerk "The Holocaust in Latvia" oder Frank Gordons "Latvians and Jews Between Germany and Russia" aus dem Englischen ins Deutsche ans Herz legen, um diese dann in der Welt zu besprechen. Ich vermute, daß er dann nicht umhin kann, der kleinen, bis heute von manch großem Spieler der Weltgeschichte begehrten und gebeutelten Nation, die sich als solche keinerlei Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht hat, seinen Respekt zu zollen.

Matthias Knoll, Übersetzer
Letzte Änderung am 26. 4. 05, - - Kommentare erbeten an knoll@literatur.lv

26. April 2005

Bush-Besuch in Lettland verdr�ngt 700 Touristen aufs Schiffs-Asyl

Am 6. & 7.Mai 2005 kommt US-Pr�sident George Bush im Vorfeld der Feiern "60 Jahre Kriegsende" in Moskau f�r zwei Tage nach Lettland. Bereits seit Wochen besch�ftigt das die lettischen Sicherheits-Experten. Zun�chst wurde als L�sung pr�sentiert, die von der Silja-Linie knapp vor Beginn der neuen F�hrschiff-Saison ausgeliehene FinnJet als exquisite Pr�sidenten-Loge im Hafen der lettischen Hauptstadt schippern zu lassen.
Nunmehr ist doch von einer anderen Variante die Rede. 700-Leute werde Bush als eigene Delegation aus USA nach Lettland mitbringen, so gab Viesturs Silenieks als Sprecher der Rigaer Hafenverwaltung am 25.April der Presse bekannt. Daher m�ssten alle diejenigen, die w�hrend der beiden Tage ein Zimmer im SAS Radisson und anderen Luxushotels in Riga gebucht haben, aufs gemietete Schiff ausweichen.
Die Hafenverwaltung werde zu diesem Zweck der FinnJet eine Minderung der Hafengeb�hren anbieten, so Silenieks.
Die lettische Regierung hatte bereits mit Beschluss des Ministerkabinetts 700.000 Lat (ca. 1 Million Euro) f�r mit dem Bush-Besuch zusammenh�ngende Ausgaben im Staatsbudget reserviert - eine Summe, die nicht voll ausgegeben werden muss, so beteuern nun Regierungsvertreter.

20. April 2005

Lettland heuert die Finnjet f�r George Bush an

Riga. Bisher war der Name "Finnjet" als Flaggschiff der Reederei SILJA-LINE bekannt - vor allem wegen der schnellen und bequemen �berfahrt von Rostock nach Tallinn. Viele deutsche Touristen haben das Schiff schon genutzt und sch�tzen gelernt. Nun kommt noch eine ganz spezielle Nutzung hinzu: Anfang Mai, vor Beginn der sommerlichen F�hrsaison, wird das komplette Schiff f�r eine stolze, aber bisher geheim gehaltene Summe nach Riga ausgeliehen ... als Domizil f�r den f�r zwei Tage in Lettland weilenden US-Pr�sidenten George Bush.

Bis vor zwei Wochen dachten die politischen Kommentatoren der baltischen Region, bereits genug mit den f�r den 9.Mai in Moskau vorgesehenen gro� angelegten russischen Feiern zum 60.Jahrestag des Kriegsendes, bzw. Sieges �ber Nazideutschland zu tun zu haben. Nun kommt aber noch ein Gro�ereignis dazu. George Bush, angeblich aus enger Verbundenheit mit der lettischen Pr�sidentin Vike-Freiberga, k�ndigte f�r den 6. und 7.Mai seine Aufwartung an.

Zwar f�hlt sich die lettische Politikelite geschmeichelt, aber viele machen sich auch Sorgen wegen des riesigen Aufwandes, mit dem solche Staatsbesuche von US-amerikanischer Seite inzwischen betrieben werden. Schon war in der lettischen Presse von "einer Woche Schulfrei" die Rede, zumindest m�sse ja der gesamte Stadtverkehr wegen der zu erwartenden Sicherheitsma�nahmen gesperrt werden. Im Internet-Chat bekannten manche freim�tig: "mir sind diese 'hohen Tiere' eigentlich egal - aber dann gehe ich eben erst gar nicht zur Arbeit."

Nun glaubt die lettische Regierung die L�sung gefunden zu haben. Das, was in Deutschland k�rzlich eben GERADE NICHT mehr f�r m�glich hielt - n�mlich eine lauschige Schiffahrt auf dem Rhein, so wie es noch Papa Bush zusammen mit Kohl in Deutschland hatte erleben d�rfen - das wird jetzt auch in Riga m�glich. In Deutschland war anl��lich des Bush-Besuches das gesamte Rhein-Main-Gebiet (zum �rger vor allem der Autofahrer) gesperrt worden.

Bereits am 4.Mai 2005 soll die Finnjet im Hafen von Riga einlaufen. Ein geeigneter Liege- oder Ankerplatz wird noch gesucht. Einen "Mietvertrag" soll das lettische Wirtschaftsministerium bereits abgeschlossen haben - nach Angaben eines lettischen Pressesprechers f�r "weit weniger" als die urspr�nglich von der Regierung f�r diesen Zweck vorgesehenen 700.000 Lat (ca. 1 Million Euro). Angesichts der f�r ein kleines Land doch recht hohen Summen, die f�r diesen Staatsbesuch aufgebracht werden m�ssen, fragt sich mancher: h�tte man dieses Geld nicht besser f�r eine Erh�hung der k�mmerlich knappen Altersrenten, f�r die Krankenh�user oder f�r andere sinnvolle Zwecke einsetzen k�nnen?

16. April 2005

Rigas neuer B�rgermeister

In der lettischen Politik ist ein neuer Name bekannt geworden: Aivars Aksenoks, 44 Jahre alter Absolvent des Rigaer Polytechnischen Instituts mit Spezialgebiet Automobilwirtschaft, wurde am 29.M�rz 2005 mit 31 der 60 Stimmen im Rigaer Stadtrat zum neuen B�rgermeister gew�hlt.
Erst 2003 hatte Aksenoks ein Jurastudium an der lettischen Universit�t abgeschlossen. F�r einige Monate wurde er dann Justizminister in der Regierung Rep�e. Nachdem Rep�e im Fr�hjahr 2004 zur�cktrat, kehrte Aksenoks zun�chst in die Stra�enbauverwaltung zur�ck, bereitete sich dann aber gezielt auf den Kommunalwahlkampf in Riga vor.

Welche Schwerpunkte wird Aksenoks f�r die Entwicklung der lettischen Hauptstadt in Zukunft setzen?
Nachdem die knappe Mehrheit der konservativ-liberalen Parteien im Stadtrat feststand, kam kurz Zweifel auf, ob Aksenoks gen�gend "starke Pers�nlichkeit" sei, um die Interessen der ihn st�tzenden Parteien "Jaunais Laiks" (13 Sitze), "Tautas Partija" (8 Sitze), Tevzemei un briivibai (6 Sitze) und Pirma Partija (4 Sitze) durchzusetzen. Auch Andris Argalis, der bereits 2000/2001 einmal B�rgermeister Rigas war, als sein Vorg�nger Andris Berzins Regierungschef geworden war, galt als starker B�rgermeisterkandidat. Nun wird Argalis als Vorsitzender der wichtigen Hafenkommission versuchen m�ssen, seinen Einflu� zu sichern.
�ber Aksenoks wurde lanciert, er sei zwischen 1989 und 1992 in Vietnam gewesen - ein Posten, der sicher nicht einer kritischen Einstellung gegen�ber der Kommunistischen Partei zu verdanken war. Dieses "St�rfeuer" kam von der "Tautas Partija", die lieber den eigenen Kandidaten an der Spitze der Stadt sehen wollte. Aktiv auf der Seite der Unabh�ngigkeitsbewegung der 80er Jahre gestanden zu haben, gilt in Lettland heute als unverzichtbarer Bestandteil der jungen Erfolgsmenschen der machthabenden politischen Elite des Landes.

F�r die Klatschspalten der Hauptstadtpresse gibt der neue B�rgermeister dennoch relativ wenig Stoff her - verglichen mit seinem Vorg�nger Gundars
Bojars, �ber den zuletzt bekannt wurde, er lebe getrennt von seiner Frau und habe mit einer weitaus j�ngeren Freundin eine sch�ne Stadtwohnung bezogen. Aksenoks ist lediglich als aktiver Tennisspieler und begeisterter T�nzer bekannt, und wirkt �usserlich eher wie ein gut erzogener Technokrat.

Was werden die Themen sein?
Eines der am meisten diskutierten Themen ist die Verkehrsentwicklung Rigas. Gleich zwei Br�cken �ber die Daugava sind in Riga in Planung, der LKW-Verkehr soll eingeschr�nkt werden, ja selbst Geb�hren f�r die Nutzung der Innenstadtstra�en sind im Gespr�ch. Auch die Parkgeb�hren sollen demn�chst erh�ht werden. Zeigte sich der lettische Autofahrerverband noch erfreut �ber die Wahl von Aksenoks, weil man aufgrund seiner jahrelangen Arbeit im Stra�enbauamt nun einen der ihren am st�dtichen Schalthebel glaubt, so wird die Stadt aber kaum um Einschr�nkungen f�r den PKW-Verkehr herumkommen. Allzu chaotisch und so gar nicht um G�ste werbend wirken die allt�glichen Staus rund um die Altstadt.

Die erste Amtshandlung von Aksenoks betraf aber ein ganz anderes Gebiet: Er hob die Beschr�nkungen gegen Gl�ckspielbetriebe im Altstadtgebiet wieder auf, die sein Vorg�nger Bojars erlassen hatte. Ein Vorgang, der in der lettischen �ffentlichkeit auch Wiederspruch hervorrief und Aksenoks vielleicht daran erinnerte, dass es auch als Amtstr�ger nicht leichter werden wird, auf der politischen B�hne Pluspunkte zu machen.