21. Mai 2007

nach Bonaparti

Die Eurovision war bisher jedes Jahr in Lettland ein Ergegnis: natürlich in erster Linie wegen der excellenten Ergebnisse der lettischen Beiträge, besonders in diesem Jahrzehnt. Hat sich das seit Helsinki nun geändert? Zumindest die Berichte in der lettischen "Yellow Press" deuten darauf hin.

Alles nur eine verrückte Show?
Heftige Beschwerden gab es bereits von Seiten der westeuropäischen Musikindustrie. Von angeblichen "Absprachen" zwischen verschiedenen Nachbarländern war schon länger die Rede. Damit waren vor allem die Osteuropäer gemeint, und der diesjährige Sieg von Serbien schien genau das zu beweisen. Was aber zeigen die Ergebnisse wirklich?

Aus lettischer Sicht war vor allem das Abstimmungsverhalten in Irland interessant: so stimmen also inzwischen nicht nur die Türken in Deutschland als Abstimmungsvotum aus Deutschland für die Beiträge aus der Türkei, sondern genauso die Zehntausende Gastarbeiter/innen aus Lettland, die in Irland Pilze pflücken, Abfall sortieren, oder für Irland-Touristen den Abwasch erledigen, eben für die lettischen Beiträge. Lettland bekommt aus Irland 10 Punkte, Litauen sogar 12. Ergebnis aber: Lettland landet ähnlich unter "ferner liefen" wie Deutschland. Trotz eines eigentlich ganz qualitativ hochstehenden Beitrags. Der lettische Sieg 2002/2003 nur Zufall, ein Überraschungserfolg eines Newcomers?

Diesmal kommentiert auch die lettische Presse bissig. "Der überwiegende Teil der Letten ist schockiert über das Resultat der Eurovision in Helsinki", so drückt es die Boulevardzeitschrift "KAS JAUNS" aus. Interessante Beobachtungen werden hier berichtet (Letten lieben Gerüchte!):
Angeblich hätte ein Drittel der in Helsinki im Saal präsenten Zuschauer nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses fluchtartig den Saal verlassen.
Weiterhin verkündet KAS JAUNS, in Serbien sei das Siegerlied schon zur "inoffiziellen Hymne der Lesbenbewegung" geworden. Warum - leider werden keine Details erklärt. Klar ist nur, dass Lettland ja sowieso auf einer Welle der andauernden Feindlichkeiten gegenüber denjenigen schwimmt, die ihre "Andersartigkeit" in sexuellen Dingen offen verkünden.

Freundschaftstage - in wenig freundschaftlicher Gesellschaft?
Nun - wieviele Schwule und Lesben sich in Deutschland oder Lettland für die Eurovision interessieren, und warum - das kann vielleicht an anderer Stelle weiter diskutiert werden. Die lettische Boulevardpresse jedenfalls macht weiter Gebrauch von diesem "skandalösen" Thema. "Das, was in Helsinki geschah, dass war unglaublich!" so werden Mitglieder der lettischen BONAPARTI in KAS JAUNS zitiert. "Auch die Künstlerparty war voll mit lauter Transvestiten und Lesben! Mir blieb der Mund offen stehen! Ich habe sogar einen Mann von 2,20 m Grösse gesehen, ganz in Frauenkleidern!"

Lettland wird auch das Thema der geschlechtllichen Gleichberechtigung bald auch zu Hause wieder diskutieren müssen. Nicht nur der schon traditionelle "Rigas Praids" steht bevor (diesmal schon am Sonntag, 3.Juni). Ab dem 31.Mai veranstaltet MOZAIKA, die Vereinigung der Schwulen und Lesben Lettlands, einen internationalen Kongress zum Thema Toleranz. Motto: Freundschaftstage (Programm). Was dann die "Yellow Press" schreibt, ist wohl absehbar. Auch verschiedene europaeische Politiker/innen haben einen Besuch angesagt. Aus Deutschland unter anderem Gruenen-Politiker Volker Beck.

Bereits am 16.Mai fand vor der Botschaft Lettlands in den Niederlanden Solidaritaetsdemonstrationen statt (siehe Fotos). Aber was bringt es, wenn die Toleranz fuer dieses Thema in breiten Schichten der lettischen Gesellschaft fehlt?

Im lettischen Fernsehen kann man aber schon sehen, was sich da zusammenbraut: in den USA angelernte Sektenfuehrer wettern da minutenlang (unkommentiert!) ueber die "Diktatur Europa" (gemeint ist die Notwendigkeit fuer das EU-Mitglied Lettland, die auf EU-Ebene beschlossenen Gesetze umzusetzen. "Europa hat die Bibel in die Gosse geschmissen," wettern die selbsternannten agressiven Moralisten, "wir lassen das nicht zu in unserem Land!"
Lettland - gute Nacht der Toleranz???

Am 31.Mai werden die Wahlgaenge zur Findung eines/einer neuen Staatspraesidenten/in beginnen. Ob sie wohl von Schlagzeilen begleitet sind, die aufzeigen, wie wenig manche Gruppen in Lettland von einer Akzeptanz demokratischer Verhaeltnisse halten?

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