7. Januar 2009

Höhere Steuern, weniger Lohn, teure Bücher - lettische Perspektiven

Das Neue Jahr beginnt kalt in Lettland - eine Schlagzeile, dass Russland das Gas abdreht, passt dazu. In der lettischen Presse stehen die Folgen der unregelmäßigen Gaslieferungen für osteuropäische Länder stärker im Fokus als im Westen: in der Slowakei sei bereits der Ausnahmezustand ausgerufen worden, nachdem Russland die Lieferungen um 70% gedrosselt habe (DIENA 6.1.09). Sicherlich kein Grund für wärmende Gedanken für Menschen in Lettland.
Mehr als die Häfte der Bevölkerung Lettlands, so einer repräsentativen Umfrage von "TNS Latvija" und einer Pressemeldung von LETA zufolge, wollen 2009 in Beruf oder Karriere etwas ändern. Da bleibt zu hoffen, dass die nicht alle auf höhere Löhne im Ausland schielen und auswandern wollen.

Die lettische Regierung Godmanis sieht sich weiter Protesten ausgesetzt, auch und gerade wegen den Neuerungen im Zeichen der globalen Finanzkrise, die zunächt die Parex-Bank hinwegraffte und nun den Staatshaushalt erreicht hat. Nein, keine Konsumgutscheine oder Steuergeschenke werden ausgeteilt, wie es deutsche Politiker gerne ankündigen mögen, sondern eher Maßnahmen die das Gegenteil bedeuten: Steuererhöhungen, Preiserhöhungen, Lohnkürzungen.

7,5 Milliarden Euro Finanzhilfe bekommt Lettland nun doch (nachdem Godmanis derartiges noch in den Tagen der Parex-Zusammenbruchs ausgeschlossen hatte) - Weltbank, Internationaler Währungsfonds, EU und Europäische Bank für Wiederaufbau sind die Geldgeber (von letzterer heißt es, sie würde gern die Parex-Bank übernehmen). Zwar wurde der Einkommenssteuersatz von 25% auf 23% gesenkt, aber die Mehrwertsteuer von 18% auf 21% erhöht - bei gleichzeitigem Wegfall vieler Ausnahmeregelungen für niedrigeren Steuersatz auf einige Produktgruppen.
Alle lettischen Medien (Zeitungen, Zeitschriften bsw.) und Publizisten sehen sich besonders betroffen: nach einer Übergangsperiode im Jahr 2009 werden sie nicht mehr den ermäßigten Steuersatz von 10% sondern die vollen 21% zahlen müssen. Resultat: Die Preise für Zeitungen, Zeitschriften, aber auch für Bücher werden stark ansteigen müssen. Daher auch die massiven Protestaktionen, denn KULTUR steht nunmal i
n Lettland immer noch hoch auf der Werteskala. Es gibt Presseberichte, in denen noch weitere Steuererhöhungen befürchtet werden (Leta) - anders sei das Ziel, im Jahr 2011 nicht mehr als 3% Haushaltsdefizit auszuweisen, gar nicht erreichbar. Auch Lohnkürzungen im öffentlichen Sektor hat Godmanis bereits angekündigt. Und auch der Tourismus klagt: Hotels werden ihre Preise erhöhen müssen, und damit kaum für mehr Gäste werben können.

Am 13.Januar wird ein buntes Bündnis verschiedener Bürgergruppen - von den Gewerkschaften, über soziale Gruppen, den Polizeiverband, der Verlegerverband, das lettische Literaturinformationszentrum, bis hin zu Renter- und Bauernvereinigungen - zu einer Demonstration in Riga aufrufen. "Das Vertrauen der Öffentlichkeit in Parlament und Regierung ist momentan seit der Wiedererlangung der Unabhängigkeit nie so niedrig gewesen", so sagt es Artis Pabriks, früher Lettlands Außenminister, heute einer der Organisatoren der Demonstration.

Derweil hat der Winter zwar die Haupstadt Riga im Griff, aber auffälliger noch sind die Änderungen der Verkehrsregelungen in der Altstadt. Verschiedene politische Stellen fochten hier im Vorfeld einen kleinen Kampf gegeneinander aus, es reichte, um die bisherige "Einfahrtsgebühr" in die Altstadt als "pure Maßnahme zur Verbesserung des städtischen Haushalts, nicht aber als Maßnahme der Verkehrsregelung" in Misskredit zu bringen. Nun sind die Schlagbäume ganz gefallen, fahren Unwissende nun aber mutig hinein ins historische Zentrum, sehen sie sich einem unübersichtlichen Gewirr von teilweise zu Fußgängerzonen oder Radwegen erklärten Bereichen ausgesetzt.

Nun ja, gleichzeitig mit den Europa- wahlen im Juni werden in Lettland Kommunal- wahlen stattfinden, also werden ja Streit- themen begierig aufgegriffen. Dass nach diesen Wahlen der Bürgermeister wieder Janis Birks heißen könnte, gilt als eher unwahrscheinlich. Seine Parteikollegen der Vaterlandspartei echauffieren sich lieber über die in städtischer Regie geplante Auffrischung der Inschriften am zu sowjetischen Zeiten errichteten Denkmal "des Sieges über den Faschismus" - dort, wo jedes Jahr zum 9.Mai vorwiegend russischstämmige Bevölkerung des für die Sowjetunion siegreichen Kriegsendes gedenken, Letten aber eher an Deportation und Zwangsanschluß denken müssen. Kommunale Zeiten, symbolische Zeiten, offenbar.

Für eine positive Überraschung auf sportliche Art war Lettlands Tennis-Ass Ernests Gulbis verantwortlich. Beim ATP-Turnier in Brisbane /Australien schlug Gulbis überraschend den Weltranglisten-Dritten, den Serben Novak Djokovic, und nannte dies später der lettischen Presse gegenüber "den vielleicht größten Erfolg meiner bisherigen Karriere" (LETA).

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