30. September 2009

„Die Küken zählt man im Herbst“,

sagt ein lettisches Sprichwort (im Frühjahr werden die Küken geboren, aber im Herbst zählt man sie erst, um zu sehen, wie viele davon das erste Halbjahr überlebt haben). Das entspricht im Deutschen also ungefähr dem Sprichwort „Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.“

„Die Küken zählt man im Herbst,“ ist außerdem ein in Lettland sehr populärer Schlager, der jetzt auch vom deutschen Schlagerduo „Klaus und Klaus“ gesungen wird. Das Duo wurde ja vor vielen Jahren bekannt durch das vermutlich aus Schottland importierte Lied mit dem deutschen Texttitel „An der Nordseeküste“.
Der aktuelle Song heißt auf Deutsch nun „Hummelflug“ und hat nichts mit dem Text des lettischen „Kükenliedes“ gemeinsam. Im lettischen Lied (Text: Guntars Račs) geht es um den Herbst, und darum, dass alles seine Zeit hat. Die letzten zwei Strophen:
„Wartet auf Beeren nicht,
solange es Blüten gibt.
Erwartet keinen Sonnenaufgang,
solange die Sonne unter geht.

Die Küken zählt man im Herbst,
Alles hat seine Zeit.
Solange das Wasser kocht,
solange dampft es.“
 

Im deutschen Text erkennt man dagegen keinen tieferen lyrischen Sinn. Es geht einfach um „Männerträume“: 

“ Siehst du da die süsse Biene, Mann, die find ich toll,
Hammerbeine, Minirock, einfach wundervoll,
Blonde Haare, braungebrannt, und ein scharfer Po,
ich knall gleich ab, jetzt geht es los - ready, steady, go!“
Und weiter nach dem Refrain:
„Schau mir in die Augen Kleines, du machst mich so an,
flüster mir ins Öhrchen, komm, und sei mein Flügelmann.
Hej, mein Schatz, komm flieg mit mir, in den Himmel rein,
summt es wie ein Blumenstrauss bei Supersonnenschein.“ 

Das Originallied hat der innerhalb und außerhalb Lettlands wohl bekannteste Komponist Raimonds Pauls geschrieben. Er ist mit der deutschen Version ganz zufrieden, betont aber, dass das Lied kein musikalisches Meisterwerk ist. Den deutschen Geschmack hat es wohl gut getroffen, schreibt das lettische Nachrichtenportal TVNET. Im ZDF soll noch im Herbst die Videoversion des Liedes veröffentlicht werden. Aber ob das Lied in der deutschen Schlagerszene Erfolg haben wird, wissen wir noch nicht. Denn: die Küken zählt man im Herbst. 




28. September 2009

Merkel aus lettischer Sicht

Spiegelt sich in der lettischen Presse das Ergebnis der deutschen Bundestagswahlen? Die Antwort "ja" ist wahrscheinlich, aber wie viele das überhaupt interessiert, ist schon die zweite Frage. Sammeln wir einige Eindrücke.

Deutschland, das ist inzwischen für Lettland nur noch "Merkel"  
Wer interessiert sich da noch für Details? Auch diejenigen, die vielleicht im SPD-Kandidaten und Aussenminister Steinmeier noch die ehemalige "rechte Hand" Schröders sahen - also ein Repräsentant von "ohne-die-baltischen-Nachbarn"-Projekten (Ostseepipeline, Putin als "lupenreiner Demokrat") - die werden darauf jetzt im Zusammenhang mit deutsch-lettischer Zusammenarbeit nicht mehr anspielen können. 

Dementsprechend schreibt NRA: "Die Merkel-Partei gewinnt die Wahlen in Deutschland" und illustriert das auch noch mit Angie im Heiligenschein. Oder "Latvijas Avize": "Merkel rettet ihr Kanzleramt". Oder "Dienas Bizness": "Deutschland wird weiterhin von Merkel regiert." Und in diese Reihe passen auch die ersten Reaktionen und Kommentare auf lettischen Internetportalen: "Wenigstens in Deutschland ist alles in Ordnung!" (apollo). Und, an gleicher Stelle, überschwenglich: "Angie ist Garlieb Merkels Ur-ur-ur-ur-Enkelin!" (ob Angie weiß, wer Garlieb war?)
Bei TVNet sind die Leserreaktionen noch selbstvergessener: "Und wann wird eine Koalition aus nur zwei Parteien Lettland regieren?" hofft da doch tatsächlich jemand (und vergisst die Situation im Stadtrat in Riga?). "Der Markt für lettische Waren wäre gerade in Deutschland groß und chancenreich" hofft ein anderer, und ein dritter jubelt: "In Deutschland ist fast keine Inflation zu spüren!".
"Dombrovski gratuliert Merkel" schreibt die lettische Nachrichtenagentur "LETA" ganz schlicht: "Merkels christdemokratische Union holte 33,8% und ermöglicht damit Merkel eine zweite Amtszeit."
 

Wer ist eigentlich dieser "Vestervelle"?
Lang, lang ist's her, als Außenamtschef Kinkel sich als "Anwalt der Balten" bezeichnet sehen wollte - trotz mehr als zögerlicher Behandlung der Unabhängigkeitsbestrebungen der Balten Anfang der 90er Jahre. 
Aber immerhin war die FDP-nahe Naumann-Stiftung in den frühen 90er Jahren eine der eiligsten beim Eröffnen von "Baltikum-Büros" - inzwischen wurde der "politische Stützpunkt" allerdings weit weg nach Prag verlegt. Da ist von Riga aus sogar Berlin näher dran. Bei den Neumännern in Prag rangieren die baltischen Staaten in der Priorität inzwischen weit hinter Tschechien, der Slowakei, Slowenien, Ungarn und Polen. 

Oder die Wirtschaftspolitik. Gerade dort hatten sich ja die frisch unabhängig gewordenen baltischen Staaten von der FDP abzuschauen versucht. Steuern so gering wie möglich, Investoren und Privatwirtschaft möglichst hohe Gewinne ermöglichen, staatlichen Einfluß eindämmen. Allerdings würden lettische Wähler bei ähnlichen Sprüchen auf den deutschen Wahlplakaten wie "ihre Arbeit muss sich wieder lohnen" wohl mit fliegenden Fahnen ins FDP-Lager überlaufen - wenn sie denn an Versprechungen von Politikern glauben würden. Denn mit Steuersenkungen für Unternehmen und neuen Atomkraftwerken allein würde wohl auch in Lettland kein Aufschwung zu erwarten sein. (Vorsicht, FDP! In Lettland wirft man bei starker Unzufriedenheit im Parlament auch schon mal die Scheiben ein!).
In wieweit lettische Interessen von liberaler Deutschlandpolitik auch etwas haben, das wird sich wohl erst in der Europapolitik zeigen. 

Also die Europapolitik? Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes auch für die "neuen" EU-Mitglieder? Spannend zu sehen, ob die FDP hierfür eintritt (die CDU ja bisher nicht). Oder Hilfen für lettische Betriebe, wenn sie durch global tätige Großkonzerne in die Knie gezwungen werden? Ein Freund der bäuerlichen Landwirtschaft war die FDP ebenfalls noch nie. Allenfalls beim Knüpfen europäischen Energienetzwerke (Lettland kauft billigen von deutschen Konzernen bereitgestellten Strom?). Auch in der Sicherheitspolitik (NATO, Anti-Terror, pro-USA) würde eine deutsche FDP auch in Lettland mehrheitlich Anhänger finden. Zudem weisen auch die FDP-Farben (gelb-blau) in die Richtung der EU-Befürworter. Und: nachweislich (beim Staatsbesuch von Präsidentin Vike-Freiberga 2003 in Berlin) bekundete Westerwelle seit langem seine Sympathie für europaweit gute Studien- und Bildungschancen

Aber wer ist "Vestervelle"? Der kommende Aussenminister immerhin. (Autokennzeichen des Dienstwagens: B-GW-2009). Schauen wir wieder in die lettischen Medien. DIENA schätzt Westerwelle als "vorsichtiger in seinen Erwartungen gegenüber Russland" ein (gemeint ist: vorsichtiger als Steinmeier). Dieselbe Zeitung, die schon 2001 bezüglich Westerwelles Wahl als Parteichef bemerkte, dass auch jede Partei in Deutschland eine "Partei-Lokomotive" braucht (wie man in Lettland für "Spitzenkandidat" sagen würde). Auf was diese Erwartung bezüglich der deutschen Russland-Politik begründet wird, das verrät DIENA an dieser Stelle allerdings nicht.
Weniger schnell verbreitet sich eine andere Schlagzeile in Lettland - vorerst nur in den online-Medien: "Deutschland bekommt einen schwulen Außenminister." (Kas jauns) 

Gute Beziehungen zu Deutschland bedeutet gute Beziehungen zu Europa - so könnten lettische wie deutsche Regierungserklärungen lauten, falls Innenpolitik mit Aussenpolitik gleichzusetzen sein müsste.
Ihre Wahlanalyse aus lettischer Sicht direkt vor der Wahl schrieb LA-Korrespondentin Ina Strazdiņa bezeichnenderweise auch aus Brüssel - und hebt die Unterstützung Merkels für den erst kürzlich gewählten lettischen Regierungschef bei der Überwindung der Wirtschaftskrise hervor. Da sind wir wieder beim Bild der Deutschen als Wirtschaftspartner und Geldsack. Oder? 

Deutschland bleibt Kanzlerin. Oder, sagen wir es wie Frau Tagesthemen von heute abend: kaum gibt es in Berlin Schwarz-Gelb, da wird das Wetter schlechter ...  

"Deutschland, was ist schon Deutschland?" mag da vielleicht ein lettisches Regierungsmitglied angesichts der aktuellen Probleme in Lettland denken, "Hauptsache diese Deutschen wohnen nicht in Bauska!" (in Bauska blockierten die Einwohner kürzlich Brücken und Straßen wegen einer Krankenhausschließung, einige kündigen an, deswegen gleiches auch in Riga zu machen) 

18. September 2009

Kontra Bass pro

Vor einigen Tagen wurden beim diejährigen ARD-Musikwettbewerb in München die Hauptpreise verliehen. Spätestens jetzt könnte der Name Gunars Upatnieks - dem diesjährigen Preisträger im Fach Kontrabaß - vielleicht auch in Deutschland noch etwas bekannter werden. Wenigstens so bekannt vielleicht, dass die Ausrichter des Wettbewerbs selbst ihn in Zukunft kennen sollten.


"Kontrabass als Soloinstrument ist ein rares Ding", so kommentiert "Klassikinfo" die Entscheidung, "entsprechend hoch ist das Niveau derer, die sich mit dieser Disziplin ernsthaft befassen". Der 25 Jahre alte Upatnieks, der auch im Lettischen Nationalen Symphonieorchester (dort ist er bereits seit 2005 Konzertmeister) und im Orchester der Lettischen Oper in Riga spielt, gewann in München außerdem auch den im Zusammenhang des ARD-Wettbewerbs verliehenen Publikumspreis. Es ist nicht der erste Preis, der dem jungen lettischen Musiker in Deutschland verliehen wurde: wie beim Landesmusikrat Mecklenburg-Vorpommern nachzulesen ist, war Upenieks bereits 2008 Preisträger des V. Internationalen Johann-Matthias-Sperger-Wettbewerbs für Kontrabass.

Auch die heimische lettische Presse hat Upatnieks' Erfolg bereits registriert: "Er gewann gegen eine riesige Konkurrenz, und direkt nach seinem Sieg telefonierte er mit seinem Vater", schrieb DIENA (beim Kontrabass Wettbewerb traten 94 Musiker/innen an). Es sei inzwischen schon der sechste internationale Erfolg innerhalb von zwei Jahren, weiß DIENA, und fügt hinzu, dass der ARD-Wettbewerb offenbar selten zu Erfolgen von Musiker/innen aus Deutschland selbst führe. Das lettische Jugendportal HC dagegen zitiert den früheren Studenten der Jāzeps-Vītols-Musikakademie in Riga Upatnieks stolz mit den Worten: "In den 50 Jahren seit Bestehen dieses Wettbewerbs geschieht es erst zum zweiten Mal, dass einem Kontrabassisten ein erster Preis verliehen wird!"

Der Leiter des lettischen Nationalen Symphonieorchesters, Ints Dālderis, wird in der lettischen Presse mit den Worten zitiert: "Ich finde es hervorragend, dass in unserem Orchester so talentierte Musiker spielen. Sie werden das Gesicht unseres Orchesters schon in der nahen Zukunft prägen!"

Zum 58. ARD-Musikwettbewerb waren nach einer Vorauswahl 217 junge Musiker aus 37 Ländern zugelassen worden. Der ARD-Musikwettbewerb, der traditionell vom BR ausgerichtet wird, zählt zu den weltweit anspruchsvollsten und angesehensten Wettbewerben für junge Instrumentalisten und Sänger des klassischen Repertoires.

2. September 2009

Verloren auf Arbeitssuche

Wer hat sie noch nicht erhalten? Besorgniserregende Nachrichten und Mails von Freunden und Bekannten in Lettland, die sich im Zeichen der Krise und steigender Arbeitslosigkeit im eigenen Land aufmachen, um wenigstens für eine Zeitlang irgendwo im Ausland einen Job zu suchen. Vieles deutet darauf hin, dass manche Auswirkungen der Finanzkrise ihre Auswirkungen in Wirtschaft und Gesellschaft erst mit Beginn des Winters zeigen werden. Daher gilt es vorzubeugen - im Sommer einen Job suchen.

Verlockende Angebote per Telefon
Nun stehen aber auch vermehrt Nachrichten über geprellte Jobsucher in der lettischen Presse. Halb in die Illegalität gezwungen (Deutschland z.B. hat seinen Arbeitsmarkt immer noch abgeschottet gegenüber Arbeitssuchenden aus den neuen EU-Ländern), ist so mancher auf dubiose Zeitungsannouncen angewiesen, die in der lettischen Presse oder im Internet zu finden sind.

Von einer Odysee durch Frankreich, Deutschland und die Schweiz berichten zum Beispiel Jurijs und Ludmilla aus Liepāja in der "Latvijas Avize". "Wir helfen Ihnen in der Schweiz Arbeit zu finden" - auf eine Anzeige diesen Inhalts antworteten die beiden. "Am Telefon wurden uns eine Arbeit in einem Hotel zugesagt, für 15 Euro die Stunde", erzählt Jurijs. Aber zunächst fuhren die beiden nach Frankreich, fanden dort Arbeit bei einem "reichen Russen". Sehr schlecht bezahlt, und den Launen der "Arbeitgeber" ausgesetzt, suchten sie weiter und kamen auf das Angebot zurück, dass angeblich aus der Schweiz stammte. Drei Tage Fahrt in einem siebensitzigen Kleinbus, von Liepāja durch Deutschland nach Basel. "Dort trafen wir aber dann nicht diesen Mann mit dem angeblichen Namen 'Max', mit dem wir die ganze Zeit telefoniert hatten, sondern eine Frau stand vor uns, die uns erzählte, 'Max' sei auf Dienstreise. "Nun, gehen wir in ihr Büro!" schlug Jurijs der Frau vor, die sich als 'Svetlana' ausgab. Nein, das sei zu weit, war die Aussage, alles solle bei einem Spaziergang auf der Straße - vor dem Hauptbahnhof Basel - besprochen werden. Schnell stellte sich der Hauptzweck dieser Masche heraus: erst wird eine größere Summe Geld verlangt, bevor das tatsächliche Vorhandensein einer Arbeitsstelle nachgewiesen wird.

"Hilfe, Polizei!" hallte es über den Bahnhofsvorplatz
Doch Liepāja's Jurijs, nicht faul und auch einiger Deutschkenntnisse mächtig, lässt sich nicht hereinlegen, und will die Sache unter Hinzuziehung der Baseler Polizei klären. Die Sache geht von der Bahnhofsverwaltung, Stadtverwaltung (unter Hinzuiehung eines Übersetzers) zur Polizei. Von der Polizei erfährt Jurijs, die Namen der beiden "Arbeitsvermittler" seien Svetlana und Aleksander Balaban - sie aus Tallinn, er aus der Ukraine (im Besitz eines Schengen-Visums). Gefunden wurde bei Ihnen eine lange Liste von Personen, von denen sie Zahlungen erwarteten oder schon bekommen hätten. Von der Schweizer Polizei erfährt Jurijs dann auch, dass Arbeitssuchende in der Regel drei Monate warten müssen auf Genehmigung eines Arbeitsantrags - auch wenn ein konkretes Angebot schon vorliegt.

"Eine Unverschämtheit", das meint sicherlich nicht nur Jurijs, "ausgerechnet diejenigen zu berauben, die für ihr letztes Geld nach Arbeit suchen!" Wievielen mag Ähnliches passiert sein, ohne dass sie sich an die Polizei wenden? "Und wem das öfters passiert, kann auch als 'Wiederholungstäter' gleich im Ausland im Knast landen!" warnt Jurijs.

Nur wenige, die bei der Arbeitssuche im europäischen Ausland "übers Ohr gehauen" werden, wenden sich an die Behörden oder die Botschaft - so auch ein ähnlicher Beitrag zum selben Thema bei TVNET. Das lettische Außenministerium bestätigt aber, dass sie Zahl derjenigen die über ähnliche Fälle berichten, steigt. Leider seien die Möglichkeiten, strafrechtliche Maßnahmen einzuleiten, aber gering, wenn die Arbeitsangebote lediglich per Telefon abgegeben worden seien. Bei TVNET werden Aussagen der lettischen Botschaft in Deutschland zitiert, denen zufolge erst 4 schriftliche Beschwerden gegen falsche Arbeitsangebote eingegangen seien, aber nachweislich mehr als 50 Personen bekannt geworden sind, zu deren Nachteil ähnliche Vorgänge zu verzeichnen gewesen sind. Ähnlich sehe es auch in Großbritannien, Irland, Spanien und Norwegen aus. 'Typisch' seien jene Fälle, in denen Arbeitssuchende losfahren um eine versprochene Arbeit anzutreten, dann aber vor Ort ohne Geld für die Rückfahrt und ohne weitere Möglichkeiten dastünden.

Guter Rat ist ... teuer?
Auch bei "Neatkarīga" wird über ähnliche Fälle berichtet, in diesem Fall speziell über lettische Arbeitsuchende in Deutschland. Dort wird auch ein Fall beschrieben, in dem das bei Letten äußerst beliebte Internetportal "draugiem.lv" für kriminelle Angebote genutzt wurde. 200 Euro vorab "für die Bearbeitung von Dokumenten" wurde verlangt, Arbeit gab es keine. Auch hier waren die Geschädigten bereits vor Ort in Deutschland. Aus Dresden wurde noch ein krasserer Fall bekannt, in dem lettische Arbeiter erst nach drei Wochen Arbeit merkten, dass sie keine Bezahlung erhalten würden. Klingt unglaublich? Passiert nur dummen und naiven Menschen? Wer das sagt, dem würde ich gern mal die Bezüge um 35% "spontan" kürzen, wie es jetzt im Frühjahr Lehrerinnen und Lehrern in Lettland passiert ist.

Auch in Deutschland braucht man vorab erstmal einen Arbeitsvertrag. Das sollte klar sein - aber wer weiß, dass er / sie sich eh "halb in der Illegalität" bewegt, der hält vielleicht ungewöhnliche Vorgehensweisen für normal? Das deutsche Arbeitsamt informiert sehr wohl über Arbeitsmöglichkeiten für Deutsche in Lettland - wer das Geld, wie die deutschen Firmen, nach Lettland mitbringt, der kann es sich wohl leisten. In Lettland tätige Personen, die sich als "Arbeitsvermittler" ausgeben, rechnen aber offenbar damit, dass "offiziell" es einen Arbeitsmarkt für Lett/innen in Deutschland ja gar nicht gibt, und in finanzielle Not geratene Menschen so maches in Kauf nehmen - "auf die eigene Kappe", wie man Deutsch so schön sagt. 

Zusatz: 
Zahlen des lettischen Statistikamtes sagen aus, dass im 2.Quartal 2009 die Einkommensverteilung in Lettland wie folgt aussieht: 
bis 200 Lat monatliches Einkommen: 35% - im Vorjahr 25,8% (18% erhalten lediglich den vorgeschriebenen Mindestlohn oder weniger - 2009 sind dies 180 Lat)
200 - 300 Lat: 26,8% (Vergleichszeitraum im Vorjahr: 23,3%)
300 - 500 Lat: 24,1% (Vorjahr: 22,5%)
500 - 1000 Lat: 8.9% (Vorjahr: 8,9%)
über 1000 Lat: 1% (Vorjahr 1,1%)

Als Arbeitssuchende waren im 2.Halbjahr 2009 199.700 Menschen registriert (16,7% aller ökonomisch aktiven Einwohner). Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es nur 76.500 Personen, die als Arbeitssuchende registriert waren.