24. Februar 2009

Was nun?

Nun also ist geschehen, was seit Tagen und Wochen vorhergesagt wurde: in Lettland muß wieder eine neue Regierung gebildet werden. Ivars Godmanis ist am Freitag zurückgetreten.

Die vergleichsweise kurzen Meldungen der deutschen Presse vermerken, die Regierung sei an der Finanzkrise gescheitert. Aber so einfach ist die Erklärung nicht. In Zeiten der Finanzkrise ist die Koalition zerbrochen. Und das war allerdings nicht nur schon länger absehbar, sondern die Frage nach dem prognbostizierbaren Verbleiben im Amt war zum Amtsantritt dieser Regierung im Dezember 2007 bereits berechtigt. Godmanis hat es auf den üblichen Durchschnitt der Lebensdauer von lettischen Regierungen geschafft.

Jetzt kursieren zahlreiche Vermutungen und Spekulationen, warum die Regierung scheiterte, warum gerade jetzt und wer ihr folgen wird.

Die Regierung Godmanis ist mit der Belastung gestartet, daß der Regierungschef selbst nach der Regenschirmrevolution nur ein Kompromißkandidat war, den die Vertreter der größeren Parteien Grüne und Bauern sowie Volkspartei vorschoben, nachdem Vorgänger Aigars Kalvītis das Vertrauen der Bevölkerung verloren hatte.

Da alle in der Koalition befindlichen Parteien unter einem Vertrauensschwund leiden, aber im Juni Kommunal- und Europawahlen anstehen, ist die Positionierung derzeit wichtig und zwar auch wichtiger als die Verwaltung der Krise und die Bekämpfung ihrer negativen Folgen. So murrte auch nur Godmanis selbst, die Parteien hätten sich vor ihrem Schritt überlegen sollen, was die Abwesenheit einer handlungsfähigen Exekutive bedeutet.

Volkspartei und die Union aus Grünen und Bauern geben sich einstweilen optimistisch und kündigten eine zügige Regierungsbildung an. Noch diese Woche soll dem Parlament ein neues Kabinett zur Vertrauensabstimmung vorgestellt werden.

Da die Regierung noch zwei Wochen vor diesem Rücktritt mit den gleichen Abgeordneten einen Mißtrauensantrag der Opposition überstanden hatte, läßt vermuten, daß hinter den Kulissen bereits Vereinbarungen getroffen wurden.

Hierbei ist die Rolle des Präsidenten undeutlich, der als Kandidat der Volkspartei gehandelt werden kann. Während der letzten wurden Kabinettssitzungen und Fraktionsrunden de facto bereits in der Rigaer Burg, dem Sitz des Präsidenten abgehalten, ja im Grunde einberufen, denn Präsident Zatlers fühlte sich immer häufiger gemüßigt, von seinem Vertrauen in konkrete Personen zu sprechen, isnbesondere den Regierungschef. Noch am Montag wurde aus diesem Grunde der jetzt zurückgetretene an den Burgplatz zitiert. Dies sieht die Verfassung nicht vor.

Der einzige vom Präsidenten der Verfassung entsprechend verlangte Vertrauensbeweis ist die Nominierung eines Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten. Nicht mehr, allerdings auch nicht weniger. Folglich gibt erst der Rücktritt Godmanis’ nun dem Präsidenten wieder die Möglichkeit, die Parteienchemie zu beeinflussen.

Während die Volkspartei mit Außenminister Märis Riekstiņš und dem Minister für Kommunale Angelegenheiten, Edgars Zalāns, gleich zwei Namen nannte, erklärte die Union aus Grünen und Bauern, sie habe keine Veranlassung, sich von Kandidat Aivars Lembergs zu distanzieren, den sie auch 2006 plakatiert hatten. Da der Bürgermeister von Ventspils derzeit vor Gericht steht, heißt dies mit anderen Worten, diese Partei verzichtet auf den Posten.

Eine Regierungsbildung, die nicht wieder dieselben Partner zusammenführt, kann nur unter Einbeziehung des als pro-russisch gelteneden Harmoniezentrums oder der Neuen Zeit gebildet werden. Erstere haben bisher alle Parteien als Partner gemieden, während letztere im Frühjahr 2006 aus einer Koalition mit eben den an der Macht befindlichen Parteien unter Protest verlassen hatte. Was also sollte diese Partei zur Rückkehr in dieselbe Koalitionsarithmetik veranlassen.

Mit dem Europaabgeordneten Valdis Dombrovskis steht der Partei seit langem außerdem ein eigener potentieller Kandidat für das Amt des Regierungschefs zur Verfügung. Aber auch wenn die Union aus Grünen und Bauern sich einen Regierungschef der Neue Zeit angeblich vorstellen kann, ist die Bereitschaft der Volkspartei zur Akzeptanz einer neuerlichen Führung durch eine kleinere Partei fraglich.

Die Neue Zeit fordert darum konsequent einen parteilosen Regierungschef. Namen kursieren bereits. Die Chefin des Rechnungshofes, Inguna Sudraba, hat allerdings beispielsweise öffentlich bislang die Übernahme dieser Aufgabe abgelehnt, die Parteien sein nicht wirklich bereit zu arbeiten.

Diese Woche wird nun zeigen, ob sich die Parteien tatsächlich bereits auf etwas geeinigt haben. Anderenfalls wird wohl kaum schon in dieser Woche ein neues Kabinett bestätigt.

Was könnten sich Volkspartei und die Union aus Grüne und Bauern erhoffen? Darüber existieren im wesentlichen zwei Spekulationen. Entweder die Volkspartei will in einer Koalition mit der Neuen Zeit diese und ihr Saubermannimage entzaubern, um bei den Wahlen selbst bessere Aussichten zu haben. Ein weiterer positiver Aspekt läge in der Trennung der Neuen Zeit von den neugegründeten Parteien Bürgerliche Union und Andere Politik, die jeweils Aspaltungen von den beiden erstgenannten Parteien sind und als Dreierbund mit einer oppositionellen Neuen Zeit bei allfälligen Wahlen in Kürze realistische Ambitionen auf ein gutes Ergebnis geltend machen könnten.

Wenn die Neue Zeit sich aber an einer Regierung nicht beteiligt, bliebe noch die Variante, mit dem Harmoniezentrum zusammenzuarbeiten. Inwiefern Volkspartei und Grüne und Bauern damit ihr Beliebtheit steigern könnten, steht jedoch ebenso in Frage wie eine Verweigerung der Neuen Zeit.

Dies ist wiederum alles in Abhängigkeit von der weiteren Vorgehensweise des Präsidenten zu sehen. Wird er sich als Kandidat der Volkspartei am 31. März an sein Ultimatum erinnern? Wird er Gründe finden, die Parlamentsauflösung anzuregen oder sich mit wiederum welchen anderen Erklärungen von seiner Ankündigung distanzieren.

Insofern versuchen die Parteien wohl, sich für Wahlen bereits in diesem Herbst zu positionieren, während die Oligarchen vielleicht auch auf eine Gnadenfrist bis zum Herbst 2010 spekulieren.

21. Februar 2009

Rücktritt der Verantwortlichen: was kommt danach?

"Ossensamstag" - so wird zum Beispiel das genannt, was heute im norddeutschen Osnabrück abläuft. In Köln, Düsseldorf oder Mainz ist es ja noch krasser: zu Karneval hat sich noch keine deutsche Regierung getraut zurückzutreten. Der dienstälteste Godmanis tat es doch.
Nun ein neuer "Osse" für Lettland? Ob nun "Politikvakuum", "-verdrossenheit", finanzielle Selbstüberschätzung oder Demokratiedefizite: Janis Normallette und Ieva Normallettin können einem leid tun.

Der letzte, auch eher verwirrt klingende Spruch der momentan die Regierung (aber nicht die Umfragen!) dominierenden Tautas Partija (Volkspartei) war "stāties partija" (Fernsehclip der vergangenen Woche). Das muss wohl als Aufruf verstanden werden, "in DIE PARTEI einzutreten". Das erinnert in seiner Hilflosigkeit doch fast an Sowjetzeiten? Oder als Eingeständnis, dass die bisherigen Verantwortlichen verzeifelt nach "frischen Köpfen" suchen?

Da ist man doch verleitet - aus deutscher Sicht - sich auch die karnevalsähnlichen Kommentare zur Lage in Lettland mal näher anzusehen. Ganz nach dem Motto: wenn die Lage nicht so ernst wäre, könnte man auch drüber lachen. Bei TVNet ist eine Reaktion schon vom frühen Abend des 20.Februar nachzulesen: neues Regierungskabinett steht, nur der Ministerpräsident muss noch neu gefunden werden. Die Idee ist einfach: die Ministerposten werden ab sofort nach dem Nachnamen vergeben (eine Verkleinerung des Kabinetts konnte ja bei dieser ganzen Postenschacherei von Godmanis nicht durchgesetzt werden).

Das neues Regierungskabinett steht schon bereit!
Also (ein wenig Lettischkenntnisse sind hier gefragt - oder nehmen Sie ein Wörterbuch zur Hand):
neuer Gesundheitsminister: Atis SLAKTERIS
neuer Verteidigungsminister: Krišjānis KARIŅŠ

neue Landwirtschaftsminister (in strenger Quotierung): Ina DRUVIETE, Vinets VELDRE
neu zuständig für Tierzucht: Ingrida ŪDRE
neu zuständig für Fischerei: Ivans RIBAKOVS
neu zuständig für Geflügelzucht: Māris GAILIS, Māris GULBIS, Anna SEILE
neu zuständig für Pferdezucht: Mareks SEGLIŅŠ
neu zuständig für Gartenbau: Solvita ĀBOLTIŅA
neu zuständig für Blumenzucht: Mārtiņš ROZE
neue Ministerin für Wohlfahrt: Inese VAIDERE
neuer Minister für Bildung: Dr.Gundars BĒRZIŅŠ
neue Finanzministerin: Silva GOLDE
neu zuständig für die Feuerwehr: Andrejs POŽARNOVS
neu zuständig für Öl und Chemie: Jānis URBANOVIČS
neu zuständig für die Schwermetallwirtschaft: Aigars KALVĪTIS
neu zuständig für die Lebensmittelverarbeitung: Andris ŠĶĒLE, Jānis MAIZĪTIS
neue Ministerin für die Bauwirtschaft: Linda MŪRNIECE
zuständig für Beerdigungssachen: Juris DOBELIS, Oskars KASTĒNS, Ģirts Valdis KRISTOVSKIS
neuer Minister für Energiewirtschaft: Raimonds VĒJONIS
neu zuständig für Alkoholproduktion und -umschlag: Rinalds MUCIŅŠ, Mārtiņš BONDARS
neu zuständig für Textilproduktion: Jānis KAŽOCIŅŠ
Minister für Meeres- und Küstenschutz: Jānis STRAUME, Gundars KRASTS
neuer Minister für Waldwirtschaft: Roberts ZĪLE
neuer Chef des Büros zur Korruptionsbekämpfung (KNAB): Guntars KUKULS

(alles real existierende Politiker übrigens - die sich über einen gut dotierten Posten vielleicht freuen würden?)

Oder, wer es weniger lustig mag, fragt wie die aktiven Studierenden von STUDENTNET mal die Kinder. Dort werden interessante Umfrageergebnisse zitiert.

Wer nicht weiter weiß - fragt die Kinder!
Antworten von lettischen Kindern auf die Frage: Was macht die Krise?
"Sie nimmt die Arbeit weg. Nachdem keine mehr da ist, können alle sich ausruhen." (Alens, 7 Jahre alt)
"Ich habe schon davon gehört, aber Mamma erzählt es nicht, was das für eine Krise ist." (Ketlina, 7 Jahre)
"Das macht meiner Mamma graue Haare" (Roberts, 10 Jahre)

Frage: Was machen die Politiker?
"Sie versuchen den Staat vor dem Bankrott zu retten." (Kristers, 7 Jahre)
"Sie schreiben mit dem Computer und kopieren Papiere." (Kristiāna, 10 Jahre)
"Sie wissen alles über die Welt" (Daiga, 7 Jahre)

Frage: Was müsste gemacht werden, damit die Menschen besser leben?
"Der Lat müsste mehr wert sein." (Georgs, 9 Jahre)
"Mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren, und nicht alles kaufen, was die Augen haben wollen." (Artis, 10 Jahre)
"Die anderen lieben" (Haralds, 7 Jahre)

Frage: Was macht Ivars Godmanis?
"Er lebt glücklich" (Ketlīna, 7 Jahre)
"Ich weiß nicht, aber er ist genauso wie die Politiker." (Jēkabs, 7 Jahre)
"Er versucht sozusagen Lettland aus der Krise zu führen, und manchmal trinkt er Kaffee." (Georgs, 9 Jahre)
"Manchmal erzählt er was, schreit, und hilft Präsident Zatlers" (Viljams, 9 Jahre)

20. Februar 2009

Zatlers leugnet Probleme mit Zigeunern

Vorweg, der Begriff Zigeuner ist in Deutschland verpönt. In Lettland dagegen ist er weitegehend wertneutral.

Selbstverständlich ist die Einstellung der Bevölkerung nicht neutral. Insofern überraschte es, daß Staatspräsident Valdis Zatlers bei einem Besuch in einer Schule im kurländischen ventspils jüngst leugnete, daß es in Lettland Probleme gibt mit Zigeunern.

Sinti und Roma leben in Lettland, sind jedoch zahlenmäßig eine kleine Gruppe, die gemeinsam mit Juden, Deutschen und Esten nach Angaben des Statistikamtes 2,7% der Bevölkerung stellen. Die auf Lettisch Čigāni genannten Menschen leben vorwiegend im westlettischen Kurland, besonders in der Stadt Sabile, und in Riga vorwiegend in der sogenannten Moskauer Vorstadt. Das ist eine zentral neben Bahnhof, Busbahnhof und Zentralmarkt gelegene Gegend mit viel Holzarchtitektur, die allerdings einstweilen noch ziemlich heruntergekommen ist. Während des Zweiten Weltkrieges befand sich hier das jüdische Ghetto.

Nachdem Zatlers in Ventspils Probleme mit dieser Volksgruppe geleugnet hatte, regte sich unter den Schülern Widerspruch, für Zigeuner sei es sehr schwierig, wenn überhaupt möglich, Arbeit zu finden.

In der Moskauer Vorstadt pfeifen es die Spatzen von den Dächern, daß viele Sinti und Roma ihren Lebensunterhalt mit illegalen Tätigkeiten verdienen. Andere versuchen Billigwaren rund um die genannten, viel frequentierten Orte zu verkaufen. Beides trägt ganz und gar nicht zur Verbesserung ihres Rufes bei.

Zatlers leugnete das Problem auf die Nachfrage hin ein weiteres Mal und habe dann, so berichtet die Presse, das Thema gewechselt.

Mit dieser Vogel-Strauß-Politik hätte der Präsident auch behaupten können, daß Wasser in Lettland bergauf fließt.

19. Februar 2009

Absurdistan (ergänzt)

Als Ministerpräsident Aigars Kalvītis im Herbst 2007 dem „Druck der Straße“folgend zurücktrat, obwohl er über eine parlamentarische Mehrheit verfügte und Ivars Godmanis ihn im Amt ablöste, habe ich bereits in der Überschrift die Vorgänge als politischen Zirkus bezeichnet.

Der Regierung Godmanis gelang es zunächst durchaus, daß sich die Wogen um die Entlassung des Chefs der Anti-Korruptionsbehörde, der Festnahme des Bürgermeisters von Ventspils, Aivars Lembergs, und des Sprungs von Edgars Gulbis in die Daugava etwas legten. Diese Ereignisse hatten in der Regenschirmrevolution gemündet und kein gutes Licht auf den Staat Lettland geworfen.

Dann erreichte die Finanzkrise Lettland mit voller Wucht und der Regierungschef demonstrierte den geschäftigen, den Macher. Aber zügig stellten sich Zweifel an der Kompetenz dieses Kabinettes insbesondere in der Krise ein. Finanzminister Atis Slakteris gab ein englischsprachiges Interview, das zur Farce wurde durch dessen Antwort auf die Frage, was mit der lettischen Wirtschaft gerade geschehe, denn Slakteris antwortete: Nothing special. Ein geflügeltes Wort.

Dann folgten die Ausschreitungen vom 13. Januar und das Ultimatum des Präsidenten.

Die Regierung hängt am seidenen Faden, hängt sie?
Es folgte ein Kuddelmuddel sich tägliche ändernder Nachrichten.

Die Union aus Grünen und Bauern hatte im Februar der Regierung, an der sie selbst beteiligt ist, das Vertrauen ausgesprochen und der Mißtrauensantrag der oppositionellen Neuen Zeit war damit gescheitert. Bereits vier Tage später schlug sie vor, der Bankier Feiferis möge eine neue Regierung bilden. Wieder fast nur Stunden später war der Fraktionsvorsitzende Augusts Brigmanis bereit, sogar die ein oder andere weitere Forderung im Rahmen der Kabinettsumbildung fallen zu lassen. Es sei nicht die richtige Zeit.

Am nächsten Tag verlautbarte Ministerpräsident Godmanis, die Koalitionspartner haben sich jetzt doch noch auf den neuen Zuschnitt der Ressorts einigen können. Grüne und Bauern haben soch durchgesetzt, daß das Landwirtschaftsministerium nicht mit dem Umweltschutz zusammengelegt wird. Über die anderen Veränderungen ließe sich diskutieren, viel Zuständeigkeiten passen unvermeidlich mehr oder weniger zusammen.

Während die Neue Zeit zu Recht erklärte, alle paar Tage ein Mißtrauensvotum einzubringen, sei unsinnig, verkündete nun Präsident Zatlers, daß er Godmanis nicht mehr vertraue. R\gewiß, es gehört zu den Aufgaben des Präsidenten, einen Kandidaten für das Amt des Regierungschefes zu benennen, der anschließend vom Parlament bestätigt werden muß. Doch das Vertrauen entziehen kann diesem ebenfalls nur das Parlament. Daran erinnerte Ex-Präsidentin Vaira Vīķe-Freiberga in einem Fernsehinterview.

Dann traf sich diese Woche Montag der Ministerpräsident mit dem Präsidenten, um, wie es hieß, das Vertrauensverhältnis zu erneuern. Vielfach war erwartet worden, Godmanis werde am Abend seinen Rücktritt bekannt geben. Das aber geschah nicht. Der Ministerpräsident hatte bereits vorher mehrfach erklärt, die Regierung arbeite und er plane keinen Rücktritt.

Ergebnis: Die Regierungsmehrheit stand am 6. Februar. Godmanis will nicht zurücktreten und Zatlers kann aus seiner Position nur mit starken Worten auftreten, schickt sich allerdings nicht an, sein einziges Recht anzuwenden und die Auflösung des Parlamentes anzuregen. Vom Ultimatum ist ebenfalls seit Tagen die Rede nicht mehr, sondern ausschließlich von den zu erledigenden Aufgaben.

Und in diesem Moment legt die Volkspartei plötzlich wieder einen Plan zur Reorganisation des Kabinetts vor.

Diese Frage liegt dem Beobachter unwillkürlich auf der Zunge. Aber eigentlich ist es trivial: alle Parteien wissen, daß sie bei einer allfälligen Neuwahl das Verdikt des Wählers treffen wird. Es geht darum einerseits um eine Positionierung und natürlich um Einfluß in der Noch-Regierung. Godmanis in der Krise als Buhmann vorzuschieben hat Vorteile, unter seinem Kommando zu arbeiten aber gewiß nicht der Traum der beiden deutlich größeren Kräfte Volkspartei und Grüne/Bauern.

Was ist eigentlich hier los?
Dabei sollte nicht vergessen werden, daß Zatlers trotz aller populistischen Forderungen an die Politik während der letzten Monate immer noch der Kandidat genau dieser regierenden Koalition ist. Die Frage ist folglich einzig, wer hat welchen Einfluß darauf, ob und wann Zatlers von seinem einzigen starken verfassungsmäßigen Recht Gebrauch macht.

Nach der geltenden Verfassung kann nur der Präsident die Auflösung des Parlamentes anregen. Nach den Protesten zwischen der Regenschirmrevolution im Herbst 2007 und den Ausschreitungen am 13. Januar dieses Jahres könnten sich die Bürger Lettlands ein Beispiel an Argentiniens Müttern der Plaza de Mayo zum Ende der Militärdiktatur und Island jüngst nehmen: täglich vor der Rigaer Burg demonstrieren, bis Präsident Zatlers anstelle populistischer und fragwürdiger Ultimaten seines Amtes waltet.

Szenario 1: Der Präsident regt nach Ablauf des Ultimatums am 31. März am 1. April (!) die Parlamentsauflösung an, worüber dann im Mai das obligatorische Referendum stattfindet. Daraufhin wird im Juni die Regierung umgebildet oder auch eine neue installiert und im September gewählt.

Szenario 2: Der Präsident gibt nach Ablauf des Ultimatums am 31. März am 1. April (!) bekannt, daß er mit der Erfüllung der von ihm gestellten Aufgaben durch das Parlament zufrieden ist, und im Juni bilden dann die Parteien nach dem Wählerverdikt auf kommunaler und Europa-Ebene auf der nationalen Ebene eine neue Regierung, die dann bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2010 im Amt bleibt?

Was, wenn der Staat bald nicht mehr in der Lage sein sollte, seine hoheitlichen Aufgaben wahrzunehmen? Was Heißt es also schon rien ne va plus Lettonie?

18. Februar 2009

Das Unternehmen Staat

Der Präsident der lettischen Nationalbank, Ilmārs Rimšēvičs ,hat jüngst bei einem Vortrag in einer Rigaer Mittelschule den Schülern erklärt, der Staat müsse wie ein Unternehmen geführt werden.

Solche Vorschläge gibt es schon einmal aus verschiedenen Richtungen, vor allem dann und von dort, wann und wo jemand vermutet, die Regierung regiere nicht ordentlich, erfülle ihre Aufgaben nicht und / oder verschwende Geld. Der Vorschlag klingt zunächst verführerisch logisch.

Doch daß dieses Mal ausgerechtnet der Chef einer Notenbank dies sagt überrascht. Denn der erste und wichtigste Unterschied zwischen einem Staat und einem Unternehmen ist, daß ersterer über eine Notenbank verfügt, letzteres aber nicht.

Sonst gibt es die ein oder andere Ähnlichkeit: Staat und Unternehmen müssen über einen Korpus verfügen, was beim Staat das Territorium ist, beim Unternehmen der Ort von Prosuktion oder Dienstleistung. Zweite Voraussetzung ist eine Bevölkerung, die dann beim Unternehmen die Mitarbeiter sind. Drittens freilich muß die Führung über die tatsächliche Macht über beides verfügen. Auch dies wäre vergleichbar.

Rimšēvičs nun meint, so wie in einem Unternehmen müsse auch der Staat Renten und Einkommen seiner derzeitigen und früheren Mitarbeiter planen. Gegenwärtig geschehe dies in Lettland alles nach bloß Gusto.

Der oberste Währungshüter Lettlands spricht zu Recht an, daß in seinem Land über die letzten 18 Jahre eher weniger von good governance gesprochen werden konnte. Waren dies in den 90er Jahren partiell noch Patzer aufgrund fehlender Erfahrungen und Kenntnisse, so kann davon in den letzten Jahren die Rede schon lange nicht mehr sein.

Die Metapher ist jedoch mehr als fehl angebracht. Man stelle sich nur vor, in der derzeitigen Phase würdden andere Staaten Lettland nicht mehr als Staat, sondern als Unternehmen betrachten!

Daß der Vorschlag ausgerechtnet vom Präsidenten der Notenbank kommt, ist ein weiteres Zeichen dafür, daß Lettland (leider) nicht wie ein Staat geführt wird, sondern in weiten Teilen wie eine GmbH.

14. Februar 2009

Lettlands Wertegemeinschaft (ergänzt)

In den 90er Jahren veröffentlichte Samuel Huntington seine Idee vom Konflikt zwischen den Zivilisationen über die Frage der demokratischen Staatsordnung. Ronald Inglehart behauptete anschließend, es ging nicht um die Frage der Staatsform, sondern um die Rolle des Individuums in der Gesellschaft. Der abendländische Liberalismus sei für andere Kulturen nicht annehmbar.

Diese Theorie wurde freilich aufgestellt, als der real existierende Sozialismus gerade erst zusammen brach und die Einstellungskomplexe dieser Gesellschaften noch wenig bekannt waren.

Inzwischen zeigt sich unter anderem am Glauben an eine jüdisch-schwule Weltverschwörung in persona von beispielsweise George Soros, daß die Gesellschaften Osteuropas in solchen Fragen entschieden weniger aufgeklärt sind, als es im Westen des Kontinents üblich ist, wo noch vor einem halben Jahrhundert Homosexualität auch mit Gefängnis bestraft wurde.

Freilich, diese Wertegemeinschaft ist ein brüchiger Ansatz. Schließlich gibt es in den USA, die als eines der führenden Länder des westens angesehen werden, in vielen Bundesstaaten nach wie vor die Todesstrafe, welche in Kontinetaleuropa verpönt ist.

Und so ist dieses Thema, Finanzkrise hin oder her, auch in Lettland nach wie vor auf der Tagesordnung. Die Abgeordnete der Neuen Zeit, Linda Mūrniece, forderte erst am 12. Feburar in einem Kommentar in der eher konservativen Latvijas Avīze die Todesstrafe für Pädophilie. Mūrniece schreibt wörtlich: “ich bin eine Befürworterin der Todesstrafe und niemand kann mich vom gegenteil überzeugen, daß ein Kindermörder das Recht habe zu leben. Ich glaube auch nicht an die Argumente bezüglich der europäischen Forderungen, denn wie wir gegenwärtig sehen ist Europa nicht in der Lage das gegenwärtige in unserem Staat herrschende Chaos in irgendeiner Form zu beeinflussen”.

Die Überschrift lautet: “Pädophile haben keine Menschenrechte!” Das Ausrufungzeichen wurde von der Autorin gesetzt.

Mūrniece geht nicht darauf ein, daß aus sexueller Anziehung erst dann ein Kapitalverbrechen wird, wenn der Betroffene sie auslebt. Sie geht auch nicht auf den meist in der Familie stattfindenden, teilweise über Jahre andauernden sexuelle Mißbrauch ein wie auch unerwähnt bleibt, daß im Vergleich zu Fällen von Pädophilie häusliche Gewalt in Lettland das eigentliche Problem der Kinder ist.

Damit bleibt der Artikel in Zeiten wichtigerer Themen populistisches Geplänkel.

Abgesehen davon wäre den vielen Letten, die auch die Schuld der derzeitigen Krise in Brüssel suchen, anzuraten, sich über Ihre Zugehörigkeit zu welcher Wertegemeinschaft Gedanken machen. Wenn Menschenrechte nicht für ALLE Menschen gelten, dann sind es keine. Und wenn sie nicht für alle Menschen gelten, wer bitte entscheidet dann, für wen sie gelten, wann und wo? Linda Mūrniece?

Lettland ist ein uabnhängiges Land, dem das Recht zusteht, seine Gesellschaft zu gestalten. Vielleicht sollte Frau Mürniece einfach eine neue Partei gründen, welche offen für den Rückzug aus EU und dem Schengenraum proklamiert. Dann können keine Juden und Schwule mehr einreisen, ohne von einer Botschaft Lettlands kontrolliert zu werden.

Sieht sie sich als Demokratin, versucht sie dafür eine politische Mehrheit im demokratischen Entscheidungsprozeß zu finden. Sonst hilft nur ein Putsch und eine autoritäre Herrschaft, die nicht wenige in Lettland ebenfalls befürworten.

Gewiß wäre es dann noch von Nöten, der Bevölkerung zu erklären, welche Folgen dies für das Land hat. Shopping in Berlin, Kaffe trinken in Paris etc müsten die Letten dann natürlich länger im Voraus planen.

Wohin Versuche von Autarkie führen, darüber können in Europa Rumänien und Albanien berichten.

Absurdistan oder rien ne va plus Lettonie?

Steigerung der Steigerung?
Die Grammatik erlaubt eine Steigerung bis zum Superlativ. Danach geht es nicht weiter. In der lettischen Politik gilt ein solches Gesetz nicht.

Da hatte die Union aus Grünen und Bauern am Donnerstag vergangener Woche der Regierung, an der sie selbst beteiligt ist, das Vertrauen ausgesprochen und der Mißtrauensantrag der Opposition war damit gescheitert. Bereits vier Tage später schlug sie vor, der Bankier Feiferis möge eine neue Regierung bilden. Und plötzlich ist nun Augusts Brigmanis bereit, sogar die ein oder andere weitere Forderung im Rahmen der Kabinettsumbildung fallen zu lassen.

Die Koalitionspartner haben sich jetzt doch noch auf den neuen Zuschnitt der Ressorts einigen können.

Grüne und Bauern haben soch durchgesetzt, daß das Landwirtschaftsministerium nicht mit dem Umweltschutz zusammengelegt wird. Über die anderen Veränderungen ließe sich diskutieren, viel Zuständeigkeiten passen unvermeidlich mehr oder weniger zusammen. Nur eines ist wirklich positiv, ein gemeinsames Justiz- und Innenministerium entsteht nicht, wie es zwischenzeitlich auch bereits vorgeschlagen worden war.

Daß das Ministerium für Regionalentwicklung mit dem Wirtschaftsministerium zusammengelegt wird, ist halbwegs nachvollziehbar. Überraschend hingegen bleibt als einziges Ressort das Verkehrsministerium unangetastet, welches unter anderem auch für die Post zuständig ist.

Der Amtsinhaber Ainārs Šlesers bleibt im Amt, die graue Eminenz seiner Partei, und ist neben dem Regierungschef nun der einzige Vertreter seiner Partei.

Während die Vertretung von Für Vaterland und Freiheit nunmehr auch mit dem Wirtschaftsministerium auf ein Ressort beschränkt wurde, hat die Volkspartei die Ehre, alle weiteren Ministerien zu besetzen.

Daß diese weniger personelle als die Zahl der Posten betreffende Regierungsumbildung nicht in erster Linie der Effizienz des Regierens und der Einsparung finanzieller Mittel dient, liegt auf der Hand. Wem aber dient es dann?

Nach der geltenden Verfassung kann nur der Präsident die Auflösung des Parlamentes anregen. Nach den Protesten zwischen der Regenschirmrevolution im Herbst 2007 und den Ausschreitungen am 13. Januar dieses Jahres könnten sich die Bürger Lettlands ein Beispiel an Argentiniens Müttern der Plaza de Mayo zum Ende der Militärdiktatur und Island jüngst nehmen: täglich vor der Rigaer Burg demonstrieren, bis Präsident Zatlers anstelle populistischer und fragwürdiger Ultimaten seines Amtes waltet.

Ergänzung:
Am Freitag wurden alle Pläne zur Kabinettsumbildung abgesagt.

Die Absage an eine Koalitionsumbildung jetzt begründet Ministerpräsident Godmanis damit, daß jetzt der falsche Zeitpuntk dafür sei – nachdem in diese Diskussion seit Tagen und Wochen Zeit investiert wurde!

Jetzt soll bis zu den Kommunal- und Europawahlen abgewartet werden, die im Juni am selben Tag stattfinden, um die Stärke der Parteien abschätzen zu können.

Wie dieser Plan zusammenpaßt mit dem Ultimatum des Präsidenten, bleibt völlig offen.

Szenario 1: Der Präsident regt nach Ablauf des Ultimatums am 31. März am 1. April (!) die Parlamentsauflösung an, worüber dann im Mai das obligatorische Referendum stattfindet. Daraufhin wird im Juni die Regierung umgebildet oder auch eine neue installiert und im September gewählt.

Szenario 2: Der Präsident gibt nach Ablauf des Ultimatums am 31. März am 1. April (!) bekannt, daß er mit der Erfüllung der von ihm gestellten Aufgaben durch das Parlament zufrieden ist, und im Juni bilden dann die Parteien nach dem Wählerverdikt auf kommunaler und Europa-Ebene auf der nationalen Ebene eine neue Regierung, die dann bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2010 im Amt bleibt?

13. Februar 2009

Der berühmteste Deutschbalte wird 100

„Wer reitet so spät durch Wind und Nacht?
Es ist der Vater. Es ist gleich acht.
Im Arm den Knaben er wohl hält,
er hält ihn warm, denn der ist erkält'.
Halb drei, halb fünf. Es wird schon hell.
Noch immer reitet der Vater schnell.
Erreicht den Hof mit Müh und Not - - -
der Knabe lebt, das Pferd ist tot!“


Wer kennt in Deutschland die von Heinz Erhardt ent-dramatisierte Parodie von Goethes "Erlkönig" nicht? Durch eine kleine Umstellung ist von Goethes tragischer Geschichte eine Happy End Geschichte geworden. Typisch für Heinz Erhard. Eine ganze Generation der 50er, 60er und 70er Jahre hat der Dichter, Musiker, Schauspieler und Entertainer in Deutschland zum Lachen gebracht.

Aber was hat das alles mit Lettland zu tun? Vieles.

Er wurde am 20. Januar vor 100 Jahren in der lettischen Hauptstadt Riga geboren. Später sollte er das Musikhaus seines Großvaters in Riga weiterführen, aber das war nicht sein Ding: „Im großväterlichen Musikgeschäft befand ich mich inmitten hehrster Kunst - dachte ich! In Wirklichkeit ist es völlig wurst, ob man mit Käse handelt oder mit Musik: Immer kauft man billig ein, um teurer zu verkaufen,“ schreibt Heinz Erhardt in seiner unvollendeten Biografie. Er wollte Pianist werden. Aber auch daraus wurde nichts: erst mit seinen Unterhaltungsprogrammen fand er seine Berufung. 1938 kam er nach Berlin, um dort sein Glück zu versuchen. Der Durchbruch gelang ihm schnell.

Und wenn sie einmal in Riga sind, machen Sie eine der drei Stadtführungen zum Thema „Der unbekannte Heinz Erhardt – Spurensuche in Riga“ mit, die von dem Historiker und Fremdenführer in Riga Maik Habermann angeboten werden. Auf Anfrage bietet er auch einen Vortrag mit vielen bisher unveröffentlichten visuellen Quellen zur Rigaer Familiengeschichte der Familie Erhard an.

„Der unbekannte Heinz Erhardt – Spurensuche in Riga“

Am So., 15. Februar 2009, sendet NDR Info jeweils um 7.30 Uhr und 9.30 Uhr die Radiosendung "Noch'n Gedicht ... Auf den Spuren von Heinz Erhardt in Riga" (Sendereihe: Zwischen Hamburg und Haiti), die unter Mitwirkung Maik Habermanns entstanden ist. Nach Ausstrahlung kann die Sendung auch als mp3-Datei heruntergeladen werden:

Noch'n Gedicht ... Auf den Spuren von Heinz Erhardt in Riga

Offizielle Heinz Erhardt Seite


Warum braucht man Lettisch in Lettland?

Es ist immer vorteilhaft, wenn man in einem fremden Land die Sprache den Einheimischen spricht. Ich hoffe, dass es den deutschen Touristen von heute nicht so geht, wie den drei Deutschen vor ungefähr 80 Jahren.

Drei dicke Deutsche*

Es kamen einmal drei dicke Deutsche nach Lettland; sie konnten kein Lettisch. Sie machten ab, dass sie sich die ersten drei Sätze, die sie hören, merken würden. Sie gingen die Straße lang und sahen drei spielende Kinder. Die Kinder schauten sich die Deutsche an und sagten: „Trīs resni vācieši“ („Drei dicke Deutsche!“). Die Deutschen wiederholten laufend die Worte bei sich: „Drei dicke Deutsche!“ Weiter gingen sie durch den Markt, wo die Menschen sich stritten. Dann rief spontan einer: „Par div mārciņ sviesta!“(„Für zwei Pfund Butter!“). Auch diesen Satz merkten sie sich und wiederholten: „Trīs resni vācieši“ und „Par div mārciņ sviesta!“. Jetzt kamen auf die Straße zwei Menschen entgegen. Der eine sagte: „Nuja, ka tā vajag!" („Na klar, so ist es gut!“). Die Deutschen gingen hinter der Stadt in einen Wald, und da sahen sie einen erschlagenen Menschen. Sie blieben stehen und wunderten sich. Da kam plötzlich die Polizei und fragte: „Kas šo cilvēku nosita?“ (Wer hat diesen Menschen umgebracht?). Die Deutschen antworteten: „Trīs resni vācieši“. „Warum,“ fragte der Polizist weiter. „Par div mārciņ sviesta,“ sagten die Deutschen. „Das muss ich euch verhaften“. Die Deutschen: „Nu ja, ka tā vajag!"

*P. Birkerts, Lettische Volksanekdoten, III, 58, 2789, Erzählt von V. Kreicberğe.

Lettisch lernen in Deutschland

Latviešu valoda ārzemniekiem

12. Februar 2009

Lettland im freien Fall

Das Handelsblatt titelte jüngst, die lettische Wirtschaft sei im freien Fall. Das der Staat bankrott ist und ein politisches Vakuum besteht, wurde – auch an dieser Stelle – bereits erwähnt.

Am Montag hat der Fraktionsvorsitzende der Union aus Grünen und Bauern, Augusts Brigmanis, den Wunsch geäußert, den Vorstandsvorsitzenden der Hypothekennank, Inesis Feiferis, mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Damit machte der Politiker seine Ablehnung zum Ausdruck, den derzeitigen Ministerpräsidenten weiter zu unterstützen. Und das nur vier Tage nach einer erfolgreichen Abwehr eines Misstrauensotums der Opposition!

Dies geschah unmittelbar nach einer Sitzung, in welcher sich die Koalitionsparteien nicht einigen konnten, welche Ministerien liquidiert und gegebenenfalls mit welchen Portfolios zusammengelegt werden sollen.

Dies läßt auf den offensichtlich erheblichen Einfluß schließen der grauen Eminenz der Partei schließen. Und das ist der Bürgermeisters von Ventspils, Aivars Lembergs. Warum sonst sollte sich diese Partei in so kurzer Zeit zu einer diametralen Meinungsumkehr entscheiden?

Die Koalitionsparteien demonstrieren damit, daß selbst in der Krise die Konflikte zwischen Personen (und Seilschaften) wichtiger sind als das Regieren.

In diesem Moment wäre es im Interesse der Staatsräson Aufgabe des Präsidenten, eine Entscheidung zu treffen und statt verfassungrechtlich bedenklicher Ultimaten die Anregung zur Auflösung des Parlaments auszusprechen. Das Land bleibt sonst de facto ohne Regierung, auch wenn allmorgendlich ein Amtsinhaber das Gebäude der Ministerien betritt.

Lettland steht am Scheideweg. Die Bürger Lettlands, nicht nur die politische Elite müssen sich nun entscheiden, ob sie ihren Staat überhaupt woollen, weil sich einstweilen der lettische Patriotismus auf Sängerfest und die Natur beschränkt. Die Volkspartei, welche nach ihrer Grundung im ersten Wahlkampf 1998 noch mit der Losung warb: Wir lieben diesen Staat (nicht Land), ist bereits klinisch tot.

Jüngst war eher aus Jux ein Internetportal eingerichtet worden, in dem Unterschriften unter einen Aufruf an Schweden gesammelt wurden, das Land zu besetzen. Ein anderer Vorschlag ging an einen russischen Millionär, der das Land bitte kaufen möge.

Eine Annexion durch Schweden wie auch der Kauf durch russische Schwerreiche ist wenig realistisch. Und welches andere Interesse als den Zugang zum mehr sollte Russland als Staat an Lettland haben? Und dieser läßt sich auch kaufen, ohne gleich ein bankrottes Staatswesen übernehmen zu müssen, deren Einwohner gerade ebenfalls zu Hauf in die Privatinsolvenz schlittern.

Bliebe das Modell Kosovo. Vor Ort sitzt ein Administrator, der das Vertrauen Brüssels genießt, während das Land de facto von dort gelenkt würde. Da der Lat als nationale Währung ebenfalls eigentlich nicht mehr existent ist, könnte wie in dem genannten territorialen Gebilde auf dem Balkan ebenfalls gleich der Euro als Zahlungsmittel verwendet werden.

8. Februar 2009

Wie sind die Letten?

Wie die Letten wirklich sind, kann man am besten sehen, wenn man mit ihnen zusammenlebt, -arbeitet und -feiert, ihre Sprache spricht, Bücher liest und Lieder singt. Das Nebeneinanderleben bringt nichts – davon kann man nur erfahren, was man selbst ist und wo die Grenze zwischen dem Fremden und dem Eigenen verläuft.

Deswegen möchte ich in einer Zusammenstellung ein paar Einblicke in der Seele der Letten geben, und was die Letten über sich selbst denken:

Der Lette sieht alles, aber überall nur das Schlechte.
Der Lette jault über sein schlechtes Leben und wartet, bis alles von alleine besser wird.
Der Lette ist nicht traurig, wenn es ihm schlecht geht, Hauptsache – dem Nachbarn geht es nicht besser.
Der Lette fühlt sich immer gut da, wo er gerade nicht ist.
Der Lette respektiert andere Meinungen, wenn sie mit seinem eigenen Standpunkt übereinstimmen.
Ein typischer Lette streitet sich nicht über den Geschmack. Nur dann, wenn der andere blöd ist.
Ein Lette ist gegen Bestechung, besonders, wenn das Schmiergeld ein anderer bekommt.
Der Lette feiert gerne Geburtstage von anderen Letten.
Auch in schlechten Zeiten singt der Lette gerne – zumindest die erste Strophe kennt er immer.
Der Lette ist sehr einfühlsam und kommunikativ, besonders im Internet.
Der Lette ist nicht gierig, er mag einfach die Gerechtigkeit.
Der Lette gibt sehr gute Ratschläge um die Nachbarkinder zu erziehen.
Der Lette braucht das Gleiche wie der Nachbar ... und noch ein bisschen mehr.
Der Lette mag gutes Essen. Die Lieblingsspeise des Letten sind ein anderer Lette, Sauerkraut und Kartoffelsalat.
Der Lette ist stolz darauf, dass er keine Serien guckt, aber er kennt sich gut darin aus.
Um seine Zugehörigkeit zu den anderen Letten zu spüren, geht der Lette ab und zu aus. Gewöhnlich wird da auch Bier verkauft.

Die Letten sind doch ein ganz nettes Volk, nicht wahr? Dass der Lette gerne über sich nachdenkt, beweist das im Sommer 2008 erschienene Buch von Ilmārs Šlāpins über den Mittleren Letten (Ilmārs Šlāpins, Anekdotes par vidējo latvieti un Raini, ¼ Satori, 2008). Jahre lang hat er seine Anekdoten über den Mittleren Letten in der Zeitschrift „Rigas laiks“ veröffentlicht. Ein Beispiel aus seinem Buch:
„Der Mittlere Lette lebt nur einmal in seinem Leben. Dabei ohne Unterbrechung”.

Ich könnte hier nur folgendes dazufügen:

Der Lette denkt gerne über sich selbst nach.
Der Lette lacht gerne über sich selbst.
Der Lette ist stolz ein Lette zu sein. Besonders im Ausland.

P.S.: Das alles gilt natürlich auch für die Lettin.

Lettische & deutsche Demokratie

Nachdem in diesem Blog in der vergangenen Woche schon so viel darüber diskutiert worden ist, ob in Lettland demokratische Strukturen existieren, oder ob die Demokratie überhaupt die wünschenswerte Staatsform ist, möchte ich nun auch ein paar Gedanken dazu beitragen. Die Teilnahme am Kongreß "Demokratie wagen" der Heinrich-Böll-Stiftung hat mich dazu angeregt. Dieses Motto ordnen die Westdeutschen natürlich Kanzler Willi Brandt zu, am Beginn seiner Regierungszeit. Inzwischen gibt es ja auch schon andere Zwischenrufe wie "mehr direkte Demokratie wagen" (Volksabstimmungen sind gemeint) oder auch die Unkenrufe, man sei schon in der "Postdemokratie" angekommen, wo nicht so sehr Wählerentscheidungen wichtig sind, sondern Expertenkommissionen und Lobbygruppen (Colin Crouch). Ein paar Gedankensplitter des Nachdenkes über Demokratie möchte ich hier posten - zunächst mit Schwerpunkt bei den Thesen des Politikwissenschaftlers Claus Offe.

Was ist Demokratie?
"Demokratie findet in Staaten statt", so stellt Claus Offe fest. Klingt simpel, aber zu den weiteren Grundbedingungen zählt er, dass diese Staatlichkeit weder durch äußere noch durch bestimmte innere Kräfte dominiert werden darf. Die schlicht klingende logische Auswirkung für Lettland: die Existenz eines unabhängigen, lettischen Staates ist als Grundvoraussetzung unverzichtbar. Aber auch: die Existenz einer bloßen ethnischen Gruppe reicht nicht allein - weder für die Letten vor 1990, noch für die russischstämmige Minderheit heute.

Offe weiter:

"Demokratien sind immer potentiell suizidale Regimeformen" - Der Deutsche denkt an 1933 - der Lette an die Gegenwart?

"Alle Demokratien sind Nachfolgeregimes" - Hier erinnert Offe daran, dass keine Gesellschaftsform gleich zur Demokratie als Versuch des Ausgleichs der Interessen und der Mitsprachemöglichkeit findet. Vielleicht ein Trost für das lettische Selbstwußtsein, wird man doch von bestimmten Kreisen immer mit Begriffen wie "Nachfolgestaaten der SU" oder "Post-SU-Staat" belegt.

"Bürger können nur die Rechte wahrnehmen, die sie wahrnehmen KÖNNEN"
. Hier wird den Staatsbürgern Trost zugesprochen: ein Regime wird nicht allein dadurch demokratisch, dass Rechte verkündet werden, die in der Praxis nicht wahrnehmbar sind (Beispiel: wenn Menschen, die ihre Meinung kundtun, auf offener Straße erschossen werden, und der Staat nichts unternimmt, um die Meinungsfreiheit zu schützen).

"Nicht einfach der TINA-Logik folgen"
- Die These oder Behauptung "There is no alternative" (abgekürzt "TINA") führt nicht zu Demokratie. Wenn die Alternative nur gleich 1 ist, ist die Demokratie = 0.

"Die Macht muss zur Verantwortung zu ziehen sein"
. Gut, manche denke da nur an Wahlen alle 4 oder 5 Jahre, aber immerhin ist die Veraussetzung, dass es auch Wahlalternativen gibt, Opposition, oder mehr als Alternative = 1 (wenn also jetzt etwa das lettische Parlament entlassen würde, was dann?). Gleichzeitig äußert Offe übrigens seine Zweifel an Volksabstimmungen: für die Umsetzung der hieraus zu ziehenden Schlußfolgerungen könne ja niemand zur Verantwortung gezogen werden, wenn sich nur auf einen unbestimmten, per Momentaufnahme eingefangenen "Volkswillen" berufen wird.

"Folgen post-demokratischer Tendenzen" - Offe nennt als Beispiele aus Deutschland auch "Präsidialisierung" (Regierungschef mit "Alleinvertretungstendenzen" wie Gerhard Schröder), oder "Medienstrategien im Dienste der Macht". Die Auswirkungen bei den Staatsbürgern sind aber klar: Apathie, Mißtrauen, Zynismus, Enthaltsamkeit gegenüber politischer Mitwirkung.

"Beispiele demokratischer Innovationen" - Offe tritt für das freie Nachdenken über Änderungen der bisherigen Demokratieformen ein. Beispiele:
a) Einführen einer "NOTA"-Alternative. Das heißt, auf dem Wahlzettel gäbe es eine Ankreuzmöglichkeit "non of the above" (keine der obigen Aufgeführten). Vielleicht würde dies den Grad der Unzufriedenheit mit dem politischen Personal spiegeln, aber gleichzeitig die politische Beteiligung sichern? Im Internet ist bereits eine entsprechende NOTA-Initiative zu finden. Oder
b) Jeder Wähler hat nicht eine, sondern 100 Stimmen. Würden sich dann Schwankungen und Zwischentöne von verschiedenen politischen Konzepten besser abbilden lassen, wenn ich z.B. 10 Stimmen der Partei A, 30 Stimmen Partei B, und 60 Stimmen Partei C zuweisen könnte?
c) Repräsentationsgutscheine. Gegen die weit verbreitete Politikerunsitte, zu behaupten "ich bin demokratisch gewählt, ich repräsentiere auch sie - was wollen sie also noch?" Einen Großteil der Steuern abschaffen, dafür jedem Bürger die freie Wahl lassen, seine jedem in gleicher Höhe gewährten Zuwendungen in freier Wahl unter den ca. 800 beim Bundestag (beim lettischen Finanzministerium) registrierten Interessenorganisationen frei zu verteilen?
d) Elternwahlrecht. Eltern bekommen so viele Stimmen mehr, wie sie Kinder haben (= Betonung der Zukunftsfähigkeit der Demokratie).

Sicher gibt es noch mehr gute Ideen. Die auf dem erwähnten Kongreß anwesenden Politiker äußerten übrigens teilweise eher Unbehagen gegenüber so viel "Pessimismus", wenn die gegenwärtigen verfügbaren Formen demokratischer Teilhabe diskutiert werden. Aber erinnert uns das nicht an den üblicherweise einer Eltern-Generation zugeschriebenen Spruch: "Wir wollten doch immer nur euer bestes!" Darauf die selbstbewußte Antwort: "Aber wir geben es euch nicht!"
Irgendwo zwischen "Parlament komplett nach Hause schicken", "nicht mehr wählen gehen" und Moralpredigten über den ideelen Wert der Demokratie muss es doch noch mehr geben! Jedenfalls wird es mehr sein müssen, als das bloße Einführen von "E-Demokratie" - über die Begeisterung an technischen Neuerungen hinaus bedarf es auch mehr Möglichkeiten von Partizipation der Bürger/innen an politischer Entscheidungsfindung (wohl gemerkt: BEVOR politische Funktionsträger Entscheidungen fällen!).

7. Februar 2009

Politikvakuum in Lettland

Lettland ist wirtschaftlich von der Krise gezeichnet und die politische Elite am Ende ihres Lateins: Es herrscht ein Politikvakuum.

Im Falle eines Machtvakuums wäre unklar, wer regiert. Dies aber ist nicht der Fall. Die Regierung unter Ministerpräsident Godmanis verfügt auch nach dem Austritt einiger Abgerdneter aus den vier die Koalition stützenden Fraktionen über eine Mehrheit im Parlament. Das zeigte sich bei der Vertrauensabstimmung auf Antrag der Neuen Zeit am vergangenen Donnerstag.

Diese Mehrheit war nach der letzten Wahl im Herbst 2006 in der Regierungszeit von Aigars Kalvītis noch etwas größer. Auch er war nicht parlamentarisch gestürzt worden, sondern aufgrund des politischen Drucks selbst zurückgetreten.

Ein Politikvakuum besteht nun, weil Unklarheit über Politikinhalte besteht, ja mehr noch, eine Politik eigentlich nicht mehr stattfindet.

Lettland nicht regiert, sondern dirigiert
Natürlich ist die tiefe wirtschaftliche Krise, in der die Hilfe von IWF und der Europäischen Union die Zahlungsunfähigkeit Lettlands verhindern, ein wichtiger Grund, warum derzeit weniger in Riga als an anderen Orten entschieden wird.

Der politische Beobachter gewinnt aber darüber hinaus derzeit den Eindruck, daß die Regierung ohnehin nur noch aus einer Person besteht: dem Regierungschef selbst. So wichtige Amtspersonen wie der Finanz- und der Wirtschaftsminister, die jeweils anderen Parteien angehören, tauchen in der Öffentlichkeit gar nicht mehr auf.

Der dem vierten Koalitionspartner angehörende Landwirtschaftsminister ist angesichts der Bauernproteste dieser Tage von seinem Amt zurückgetreten. Damit stellt er eine Ausnahme dar.

So wenig die Koalitionspartner den die zweitkleinsten Regierungspartei vertretenden Ministerpräsidenten lieben mögen, niemand erklärt derzeit seine Bereitschaft, an dessen Stelle zu treten. Dieser müßte dann außerdem erst von Präsident Valdis Zatlers benannt werden. Über eine solche Machtposition verfügt aber derzeit kein Politiker. Während Godmanis am vergangenen Sonntag im Fernsehen verkündete, er habe nicht die Absicht zurückzutreten und die Regierung arbeite weiter, stellt sich die Frage, welche Alternative es überhaupt gäbe.

Die Koalitionspartner, die teilweise ihren Regierungschef in den letzten Tagen und Wochen kritisiert haben, beeilten sich vor der Abstimmung am Donnerstag zu erklären, daß sie nicht gegen die Regieung stimmen würden. Darunter auch die an mangelndem inneren Zusammenhalt leidende Union der Grünen und Bauern, deren Fraktionsvorsitzender einen parteilosen Nachfolger für den zurückgetretenen Landwirtschaftsminister vorgeschlagen hat.

Präsident Zatlers hat derweil an die Partizipationsbereitschaft der Bevölkerung appelliert und die Intellektuellen aufgerufen, doch bitte in die Politik zu gehen, neue Parteien zu gründen oder in bestehende einzutreten. Der Hintergrund? Zatlers kann die Parlamentsauflösung anregen und wüde im anschließenden obligatorischen Referendum Umfragen zu Folge eine Zustimmung von zwei Dritteln des Wahlvolkes erhalten. Doch wen sollen die Wahlbürger an die Stelle der jetztigen abgewirtschafteten politischen Elite wählen? Zatlers hat sich also mit seinem, den Geist der Verfassung überschreitenden Ultimatum an die Parlamentariern, selbst ein Bein gestellt.

Wurde Lettland regiert?
Ein Politikvakuum, werden Kritiker behaupten, gab es bereits zuvor. Und tatsächlich, die oligarchischen Parteien haben, wie ihnen die Bürger vorwerfen, während der vergangenen Jahre auf die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung keine oder wenig Rücksicht genommen und dienten statt dessen oftmals ihrem eigenen Vorteil. Die lettische Politik war zwar nicht mafiös, aber im Rahmen des weitgehend Legalen wurde stand good governance nicht im Mittelpunkt des Bemühens.

Das müssen sich auch nicht politische andere Amtspersonen vorwerfen lassen. Denn ein günstiger Zeitpunkt wie auch eine günstige Alternative der Ausrichtung einer Neuwahl wurden nicht genutzt.

Bereits kurz nach der Wahl 2006 hatten die Behörden festgestellt, daß gleich mehrere Parteien – eben jene, die derzeit die regierende Koalition bilden – im Wahlkampf gegen die Gesetze über die Wahlkampfausgaben verstoßen hatten. Die Zusammensetzung des Parlamentes, so kommentierten bereits damals Juristen, Politologen und Journalisten, gründe sich auf illegale Handlungen. Doch nichts geschah.

Was nun?
In einem Machtvakuum könnte es aus Ärger der Bürger zu revolutionären Zuständen kommen. Dafür aber fehlt in Lettland die Mentalität. Ebenso könnte jemand versucht sein, ein autoritäres Regime zu errichten. Dafür aber fehlt die entsprechende Figur. Außerdem sind sich alle Vertreter der politischen und wirtschaftlichen Elite bewußt, welche Folgen dies innerhalb von NATO und EU hätte und folglich den Lebensstandard der Bevölkerung betreffend eher zu einer drastischen Verschlechterung führte.

Wenn aber die Intellektuellen des Landes nun nicht endlich bereit sind, sich für ihren Staat zu engagieren, droht nach einer allfälligen Neuwahl ein Parlament zusammengesetz bestenfalls aus der dritten und vierten Garde des sozialen Kapitals, der nach dem Abtreten der Oligarchen dann auch noch die politische Erfahrung fehlt. Damit würde Lettlands Position als Mezzogiorno der EU auf Dauer gefestigt.

Aber dabei ist immer die Rede von Neuwahlen. So lange der Gesetzentwurf des Präsidenten, die Verfassung zu Gunsten eines Volksrechtes zur Entlassung des Parlamentes zu ändern, ebenso wenig den Weg durch die parlamentarische Beratung findet wie es eine Mehrheit für den Vorschlag der Volkspartei gibt, die Verfassung durch ein Selbstauflösungsrecht der Saeima zu ergänzen, bliebt dieses Parlament auf Gedeih und Ververb erhalten. Und mit jedem Monat rückt der reguläre Wahltermin im Herbst 2010 näher.

Bliebe als Ausweg ein Rücktritt der Regierung Godmanis und die Bereitschaft etwa der Chefin des Rechnungshofes, Inguna Sudraba, als Parteilose eine Regierung zu bilden. Derzeit verfügen die oppositionelle Neue Zeit gemeinsam mit dem pro-russischen Harmoniezentrum und den Abgeordneten, die ihre alten Fraktion verlassen haben, über so viele Stimmen, daß sie mit der Partei von Godmanis knapp die absolute Mehrheit im Parlament verfehlen. Bliebe die Erwartung eines Zerbrechens Union der Grünen und Bauern.

Und hier gibt es wieder wilde Spekulationen: Die Oligarchen haben verstanden, daß ihre Zeit vorbei ist un sorge unter einem Premier Godmanis noch schnell dafür, ihre Pfründe zu sichern, um dann das Feld zu räumen.

1. Februar 2009

Wetten, dass …

... die Inflation in Lettland im Januar 8,1% übersteigt?

Das ist kein Witz, man konnte bis Ende Januar bei dem baltischen Wettportal triobet.com darauf setzen, genauso wie auf ein Ergebnis im Fußballspiel. Die Gewinnchancen standen 5:1, dass die Inflation im Januar 8,1% übersteigt.
Es hat aber nur ein einen Einsatz gegeben. Das könnte folgende Gründe haben:

1. Die lettischen Spieler sind so abergläubig und trauen sich nicht auf die noch höhere Inflation zu setzen, weil das auch in Erfüllung gehen könnte und sie dann gar kein Geld mehr zum Daddeln hätten. Man soll das Unglück ja nicht herbeireden.

2. Sie trauen sich auch nicht auf das Gegenteil zu setzen, weil sie im tiefsten Inneren daran glauben, dass die Inflation steigen wird. Auch in diesem Fall wär
e das Geld verloren.

3. Es ist kein Verlass auf die Inflation. In dieser
schwierigen Situation sollte man auf sichere Wetten setzen, wie z. B. auf Fußball. Denn mit der Inflation ist das genauso wie mit den Bienen – man kann nie sicher sein, was passiert.

4. Der einzige Spieler könnte ein Este sein, weil sie ja nicht an einem Aufschwung in Lettland glauben.

5. Über Litauer weiß ich nichts.

Im letzten Jahr ist die Inflationsrate in Lettland stark gestiegen: Im November waren es noch 6,1%, Ende Dezember schon 7%, Mitte Januar sogar 7,6%. Die Daten von Januar sind noch nicht endgültig bearbeitet worden, aber von 7,6 bis 8,1 sind es nur 0,5%.

Der Januar ist jetzt zu Ende und die Wette ist auch beendet.
Ich bin jetzt aber gespannt, wie die nächste Wette lauten wird …