25. März 2010

Sprache erneut als politische Waffe?

Die Partei Für Vaterland und Freiheit initiiert eine Unterschriftensammlung für ein Referendum, daß künftig in staatlichen Schulen die Unterrichtssprache nur noch Lettisch sein darf. Angesichts eines hohen Anteils russischsprachiger Bevölkerung in Lettland ist das Thema Sprache seit langem ein heißes Eisen und seit der Unabhängigkeit 1991 regelmäßig auch ein politisches Instrument.

Angesichts der schlechten Umfragewerte von Für Vaterland und Freiheit, die um den Wiedereinzug ins Parlament bangen muß, ist diese Referendumsidee nur wahlkampfstrategisch zu verstehen. Aber auch dann ist es ungewöhnlich, weil die aggressive Politik gegen die russische Minderheit von Für Vaterland und Freiheit, die 1993 noch alle Russen am liebsten außer Landes gewiesen hätten und jene des deutschen Joachim Siegerist nicht mehrheitsfähig war. Dieser in Deutschland vorbestrafte Konservative hatte sich der Unabhängigkeitsbewegung angeschlossen, die sich später mit den Nationalisten vereinigten.

Der Initiator, der früherer Justizminister Dzintars Rasnačs ist optimistisch, bis Mai 10.000 Unterschriften zu sammeln und die erforderlichen 10% der Wahlberechtigten bis etwa einen Monat vor den Wahlen im Herbst zu vervollständigen. Das Referendum könnte dann Ende dieses oder Anfang des nächsten Jahres stattfinden.

Ob die Partei mit dieser Strategie erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Bereits frühere Regierungen sind mit ihren Sprachgesetzen an Ex-Präsidentin Vaira Vīķe-Freiberga gescheitert. Es gab sogar mal die Idee, Veranstaltungen in anderen als der einzigen offiziellen Staatssprache, als des Lettischen, nur mit Simultanübersetzung stattfinden dürften.

Was aber noch schwerer wiegt ist die öffentliche Meinung. Die Zeiten der scharfen Konflikte sind eigentlich ebenso vorbei wie jene, als viele Forderungen teilweise nachvollziehbar waren oder auch eine kopfschüttelnde Öffentlichkeit in Westeuropa Lettland schwere Vorwürfe machte. Die Sowjetunion hatte beispielsweise im Infrastrukturbereich vorwiegend Russen beschäftigt. Das Ergebnis war, daß es Anfang der 90er Jahre schwierig war, am Kartenschalter des Rigaer Hauptbahnhofes auf Lettisch einen Fahrschein zu erwerbe. Und die staatlichen Kontrolleure, die den Gebrauch der Staatssprache im öffentlichen Raum prüften schafften es mit ihrer Bestrafung von Marktfrauen in ausländische Fernsehberichte. Zwischen 1993 und 2001 gab es eine Mission der OSZE in Riga.

Bestes Beispiel für die Beruhigung der Gemüter bildete eine Novelle des Bildungsgesetzes 2004, nach der auch an russischen Schulen der muttersprachliche Unterricht auf 40% beschränkt wurde. Man befürchtete am traditionellen Schuljahresbeginn, dem 1. September, Ausschreitungen zwischen lettischen und russischen Schülern – doch es nichts geschah.

Bezüglich der neuen Ideen von Für Vaterland und Freiheit erklärte die Rektorin der Rīnužu Mittelschule in Riga, Viktorija Verhouska, gegenüber der Zeitung Neatkarīgā, daß die Schüler keine Schwierigkeiten hätten auf Lettisch zu lernen, da Kinder sich Sprachen schnell aneigneten. Aber alle Fächer ausschließlich auf Russisch zu unterrichten, erlaubte es dem Nachwuchs nicht mehr, in einer Umgebung der Traditionen ihrer Nationalität aufzuwachsen und die eigene Muttersprache ordentlich zu erlernen.

Der Rektor des Rigaer Klassischen Gymnasium, Roman Alijev, fügt hinzu, daß vor allem die Ausbildung der Lehrkräfte verbessert werden müßte, da mitunter die Schüler im bilingualen Unterricht besser Lettisch sprächen als die Lehrer. Genau darin besteht das Hauptproblem. Ein großer Teil des Lehrkörpers hat noch zu Sowjetzeiten studiert und beherrscht deshalb die Staatssprache nicht hinreichend.

Der Chef der Kontrolle des Staatssprachenzentrums, Antons Kursītis, ist der Ansicht, daß 20 Jahre nach Verabschiedung des Sprachgesetzes die fehlenden Sprachkenntnisse nicht lettischer Lehrer eher auf fehlenden Willen handele und weist auf die Gefahr hin, daß die Schüler durch ein schlechtes Sprachniveau ihrer Lehrer Lettisch ebenfalls fehlerhaft erlernten. Der Inspektor gibt außerdem zu bedenken, daß nur in russischen Schulen Strafen wegen Nichtverwendung der Staatssprache vorgekommen seien, nicht aber in estnischen, litauischen und polnischen Schulen. Russisch Schulen, so sein Urteil, trügen dazu bei, eine gespaltene Gesellschaft zu erhalten.

Nach Angaben der Behörde gibt es keine regelmäßigen und flächendeckenden Kotrollen. Der Unterricht werdehospitiert, wenn eine Beschwerden über eine konkrete Lehrkraft vorliege. Die Strafe für fehlerhaftes Lettisch beträgt 25 bis 50 Lat. Im Falle einer Bestrafung besucht der Inspektor ein halbes Jahr nach der ersten Kontrolle die Schule erneut und der Verstoß wird im Wiederholungsfalle mit 100 Lat geahndet.

Daß die Bildungsreform von 2004 sich behauptet hat, sieht die Behörde durch die Ergebnisse der zentralisierten “Abiturs” bestätigt. Einstweilen haben die Schüler ethnischer Minderheiten ein Examen in Lettisch, während die Letten selbst in Lettisch und Literatur geprüft werden. In zwei Jahren sollen diese Prüfungen vereinheitlicht werden, das Sprachniveau also gleich sein.

Schon heute belegen die Ergebnisse der Schüler in den Naturwissenschaften allerdings bei den Minderheiten bessere Kenntnisse. Seit 2007 werden die Fragen für die zentrale Prüfungen nur noch auf Lettisch ausgegeben, wobei die Schüler bei der Beantwortung die Sprache auswählen dürfen. 60% entscheiden sich für Lettisch.

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