30. Oktober 2010

Einmal Lette immer Lette?

Die Staatsbürgerschaft ist ein heißes Eisen in Lettland – immer gewesen seit der Unabhängigkeit 1991. 1998 gab es die letzte Änderung, überdies quasi per Referendum mit einer so komplizierten Frage einer doppelten Negation, daß kaum ein Wähler das wohl so richtig verstanden hat damals. Inzwischen ist Lettland Mitglied er europäischen Union, in deren andere Mitgliedsstaaten viele lettische Staatsbürger „ausgewandert“ sind. Damit stellt sich die Frage nach der doppelten Staatsbürgerschaft inzwischen ganz anders.

Ging es früher darum, ob im Exil aufgewachsene Letten darauf ein Recht haben sollen und wie es mit den Migranten der Sowjetzeit im Inland aussieht, so geht es heute darum, die im Ausland lebenden Letten an ihre Heimat in irgendeiner Form zu binden.

Für die doppelte Staatsbürgerschaft sind somit gerade einige Ältere, die sich als Beispiel für Rückkehrer nennen, wie der Abgeordnete der Einigkeit Uldis Grava. Die zuständige Behörde weist darauf hin, daß schon jetzt Kinder die lettische Staatsbürgerschaft erhalten ungeachtet der Frage, ob sie im Ausland lebend noch eine andere Staatsbürgerschaft zuerkannt bekommen. Die ehemalige Chefin der Einbürgerungsbehörde wehrt sich jedoch dagegen, im Ausland geborenen Personen die Staatsangehörigkeit zu gewähren, die selbst oder deren Eltern diese nicht direkt nach der Unabhängigkeit beantragt haben mit dem Vorwurf, dieser Personenkreis verfüge über keinerlei echte Bindung an Lettland, spreche die Sprache nicht und wisse mitunter nicht einmal, wo sich das Land befindet. Diese Personen benötigten nach ihrer Ansicht in Wahrheit nur irgendeine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedslandes. Der Gesetzentwurf verlangt keine Kenntnisse des Lettischen. Sie hält dies für ungerecht gegenüber über 70järhigen Menschen, die in Lettland geboren wurden, für die Einbürgerung einen Sprachtext aufzuerlegen.

Nach Auskunft der Behörden gibt es zur Zeit 30.000 Menschen mit lettischer Staatsangehörigkeit, die im Ausland leben und auch die Staatsbürgerschaft ihres Aufenthaltslandes besitzen. Dabei handelt es sich überwiegend um Flüchtlinge und deren Kinder, die während des Zweiten Weltkrieges Lettland verlassen und bis zum Stichtag 1995 die lettische Staatsbürgerschaft beantragt haben. Wer diesen Termin hat verstreichen lassen, kann zwar nach wie vor lettischer Staatsangehöriger werden, jedoch nur unter Verlust seiner bisherigen Staatszugehörigkeit. Dies würde die Novelle abschaffen.

Die Behörde gibt jedoch zu bedenken, daß noch 1998 die Praxis nur einer Staatsangehörigkeit weltweit der Standard war, aber angesichts einer höheren Mobilität und zahlreicher Mischehen mehr und mehr Staaten nicht nur die Doppelstaatsbürgerschaft, sondern sogar eine Mehrfachstaatsbürgerschaft tolerieren. Natürlich wirft dies zahlreiche Fragen auf. Niemand kann selbst entscheiden, ob er etwa mal Lette oder mal Kanadier sein möchte. Dies wäre im Falle von Straftaten und einer Verurteilung von Interesse, wenn es darum geht, wo die Haftstrafe anzutreten ist. Natürlich könne im Einzelfall ein Staat seine Bereitschaft erklären, einen Häftling bei sich aufzunehmen. Ein weiteres Thema wäre der Wehrdienst, der jedoch in Lettland vor knapp vier Jahren abgeschafft worden ist. Die Frage von kriegerischen Auseinandersetzung stellt sich einstweilen für lettische Bürger nicht – und das werde hoffentlich auch so bleiben im 21. Jahrhundert, so die Behörde.

Innerhalb der europäischen Union muß es jedoch inzwischen Möglich sein, die Staatsbürgerschaft des Aufenthaltlandes anzunehmen, so man die Bedingungen erfüllt, ohne auf diejenige des Herkunftslandes zu verzichten.

Schwierige Regierungsbildung

Obwohl die beiden größeren Parteien der bisherigen Minderheitskoalition von Valdis Dombrovskis in Lettland mit 55 von 100 Mandaten eine klare Mehrheit errungen haben, wird seit dem 2. Oktober in Lettland um die Bildung einer neuen Regierung gefeilscht.
Hierzulande sind Gentlemen Abkommen unbekannt, nach denen bei Abwesenheit von Koalitionsabgeordneten die Opposition Zufallsminderheiten verhindert. Statt die Opposition in die parlamentarische Arbeit mit einzubinden, wurden bislang auch hier die Posten von den Koalitionsfraktionen monopolisiert.
Angebote an das russisch dominierte Harmoniezentrum sorgten für Diskussionen und Spekulationen in der Regierungsbildung die vorwiegend auf die Uneinigkeit der Listenkoalition Einigkeit des Regierungschefs zurückgingen. Die einen stellten sich gegen die Einbeziehung der Russen quer und die anderen legten ihr Veto gegen die Beteiligung der Nationalisten erst im letzten Augenblick ein.
Die gleichen Animositäten sorgten für Schwierigkeiten bei der Ressortvergabe. Nicht nur, daß die Union der Grünen und Bauern offensichtlich alle schwierigen Ministerien etwa im Sozialbereich übernehmen sollten, sondern die Kräfte der Einigkeit konnten sich nicht einigen. Das führte zu einigen doch etwas überraschenden Entscheiden.
So kam es schließlich zum Vorschlag, den früheren Außenminister Artis Pabriks von der verhältnismäßig kleinen Gesellschaft für eine andere Politik mit dem Verteidigungsministerium zu betrauen und mit dem Titel des stellvertretenden Ministerpräsidenten zu entschädigen, während der frühere Verteidigungsminister Ģirts Valdis Kristovskis Außenminister werden soll.
Diese ehemalige Minister verschiedener Regierungen und EU-Abgeordneter war in den vergangenen zwanzig Jahren ein typisches Beispiel für Fraktionsnomadentum, zuletzt trat er aus der nun dramatisch reduzierten nationalistischen Partei Für Vaterland und Freiheit aus, nachdem man ihn dort nicht zum Vorsitzenden gewählt hatte.
Ihre Arbeit fortsetzen soll auch Innenministerin Linda Mūrniece, die von den Wählern nicht mit einem Parlamentsmandat ausgestattet worden war. Mūrniece ist in ihrer Amtszeit regelmäßig mit Positionen aufgefallen, die eher nicht im Einklang mit europäischen Werten stehen, so ihre drakonische Reaktion auf die Besetzung einer Brücke in Bauska als Protest gegen die Schließung des dortigen Krankenhauses.

24. Oktober 2010

Da haben wir den Salat! II Geld für Vergewaltiger

Könnte einem noch einmal auf der Zunge liegen. Lettland wird 11.700 Euro an einen „Kinderschänder“ zahlen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteile Lettland zur Zahlung einer Entschädigung in dieser Höhe an einen ehemaligen Häftling des Gefängnisses in Daugavpils, der ein minderjähriges Mädchen mindestens drei Mal vergewaltigt hatte. Der Gerichtshof sieht es als erwiesen an, daß die Haftumstände unmenschlich waren und Lettland damit gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen hat in Punkt 3. über eine menschliche Haft und Punkt 13. über medizinische Hilfe.
Der Leiter des im Volksmund als weißer Schwan bezeichneten Gefängnisses erklärte, es gehe hier vor allem darum, daß die Zellen überfüllt seien und die Gefangenen ihre Notdurft nicht allein verrichten könnten.

11.700 Euro sind für einen Durchschnittseinwohner in Lettland ziemlich viel Geld. Es wird der Bevölkerung schwer zu vermitteln sein, warum gerade ein Verbrecher eine so hohe Summe vom Staat erhält, zumal es sich um jemanden handelt, der sich an einem Kind vergangenen hat. Solche Verbrechen sind auch andernorts geeignet, Stammtische zur Befürwortung der Todesstrafe oder sogar Forderungen nach Lynchjustiz zu animieren.

Die lettische Presse erklärt, daß der Gerichtshof mit diesem Urteil keine Bewertung des Betroffenen abgegeben habe. Das Verbrechen hatte sich vor vielen Jahren in Ventspils ereignet. Der Vater des Mädchen hatte sie zu einem Besuch bei einem Bekannten – wohl dem Täter – mitgenommen und dort mit diesem gemeinsam Alkohol konsumiert. Als er später nach Hause ging, ließ er das Mädchen alleine zurück und warf sich vor einen Zug, nachdem er später aus der Zeitung von der Tat erfahren hatte. Der Täter hatte zwar vor Gericht geleugnet, doch das glaubte dem traumatisierten Teenager und verurteilte den Mann zu zehn Jahren Haft. Seit zwei Jahren ist er wieder auf freiem Fuß.

Theoretisch ließe sich gegen das Urteil in Berufung gehen, doch der Vergewaltiger wird daran wenig Interesse haben. Eine Vertreterin der Regierung erklärte einen eventuellen derartigen Schritt des Staates für aussichtslos, da die Gefängnisse in Lettland über Jahrzehnte nicht renoviert worden seien. Eine Mitarbeiterin des Ombudsmannbüros kommentierte, man lebe schließlich nicht mehr im Mittelalter, wo die Folter in feuchten Räumlichkeiten dazu führe, daß sich die Gefangenen die Tuberkulose einfangen. Ganz im Gegenteil wird von Regierungsseite zugegeben, daß es eine falsche Strategie war, die klagenden Ex-Häftlinge zu entschädigen, statt das Geld in die Renovierung der Gefängnisse zu stecken. Es gebe bereits mehrere ehemalige Häftlinge, die eine entsprechende Klage in Straßburg eingereicht haben.

Da haben wir den Salat! I Machtteilhabe für Nationalisten

Das könnte einem auf der Zunge liegen. Daß sieben von acht Abgeordneten der sich selbst Nationale Vereinigung nennenden künftigen Fraktion der 10. Saeima mit dem unsäglichen Namen „Alles für Lettland! Für Vaterland und Freiheit / LNNK“ – letztere Abkürzung stammt ursprünglich von der nationalen Unabhängigkeitsbewegung, was schon seit Jahren auch in der lettischen Innenpolitik nicht mehr atschiffriert wird – stammen, hat sich in der internationalen Presse herumgesprochen. Selbst die Süddeutsche Zeitung spricht von der Einbeziehung von Rechtsextremen in die Regierung und einem Rechtsruck in Lettland.
Daß der erste Satz des vorangegangenen Absatzes schwer verständlich ist, ist Absicht.
Eigentlich braucht Dombrovskis die Nationalisten nicht, seine Koalition käme auch ohne auf 55 von 100 Mandaten. Insofern ist es unverständlich, warum die Nationalisten nach langen Diskussionen über andere Modelle der Kooperation zwischen den im Parlament vertretenen Kräften berücksichtigt werden. Gewiß, 55 von 100 Sitzen gilt im instabilen lettischen Parteiensystem als zu wenig und die gezimmerte Koalition sieht auf den ersten Blick aus wie die Fortsetzung der Minderheitsregierung vor den Wahlen. Aber es sieht eben nur so aus, denn die nationalistische Fraktion ist nicht mehr das gleich wie zuvor.
Dombrovskis hatte den Nationalisten darum Forderungen gestellt: Sie dürfen ihrerseits keine Forderungen nach Repatriierung der Migranten aus der Sowjetzeit und Motionen bezüglich der Unterrichtssprache an Schulen einbringen. Der stellvertretende Chef der Nationalisten, Imants Paradnieks, fügte sich dem unter Hinweis, in einem Staat mit Meinungsfreiheit bedeute dies schließlich nicht, daß er künftig persönlich seine Ansichten nicht mehr äußern dürfe.
Darum überrascht es nicht, daß der Listenkoalition nur ein Ministerium angeboten wird und dann auch noch ausgerechtnet das Justizministerium. Dzintars Rasnačs, ein früherer Amtsinhaber, ist der letzte verbliebene Abgeordnete der alten politischen Kraft.

19. Oktober 2010

Rigatag, Bremisch gefeiert

Jubiläen sind dazu da gefeiert zu werden. Durchaus soll es welche geben, deren Vorhandensein man lieber veschweigt - je nachdem, ob es politisch opportun ist sie zu feiern. 2010 ist es opportun. Schon 20 Jahre deutsche Einheit wurde bundesweit gemeinsam in Bremen gefeiert, ein Projekt, das weit über das eigentliche Veranstaltungsdatum am 3.Oktober hinausreicht: fast jede bremische kulturelle Einrichtung, die was auf sich hält, hat zeitlich breit über den ganzen Herbst gestreut etliche Ausstellungen und Veranstaltungen initiiert - wohl um damit bessere Chancen auf bewilligte Finanzanträge zu haben. Feiern im Ost-West-Maßstab hat also diesen Herbst in Bremen Konjunktur. 

Blick zurück
Da passt irgendwie auch die Städtepartnerschaft Bremen-Riga ganz gut ins Bild; zumindest stört sie nicht. Es gab auch schon mal andere Zeiten - doch wie auch schon der Bremer Bürgermeister Jens Böhnsen (Jenss Bērnzens) bei seiner Ansprache anläßlich eines Empfangs für die Delegation aus Riga richtig sagte: "Vor 25 Jahren konnte sich ja kaum jemand vorstellen, was jetzt möglich ist. Heute sind wir Partner in einem gemeinsamen Haus Europa."
Nicht alle runden Jubiläen passen immer so gut in die sie umgebenden Zeiten. Als die Bremisch-Rigensische Kooperation 5 Jahre alt war, schloß der Unterzeichner der Partnerschaftsurkunde, der heutige EU-Abgeordnete Alfred Petrowitsch Rubiks, einen Pakt mit den Anti-Gorbatschow-Putschisten in Moskau und verdarb es sich damit mit der großen Mehrheit der Einwohner Lettlands. Die Bremer Partner, damals noch der Bremische Zweig der Deutsch-Sowjetischen Freundschaftsgesellschaft, rieb sich verwundert die Augen ob des Zwischenergebnisses des gescheiterten Putsches: Lettland erklärte sich nunmehr endgültig für unabhängig, und die Partnerschaftsurkunde - die noch zwischen einer säuberlich ausgewählten deutschen und einer sowjetischen Stadt geschlossen wurde - musste umgeschrieben werden. Doch konnte man diesen Letten trauen, die damals ausgerechnet Nationalstolz und wieder zu errichtende Grenzen auf die Agenda hoben? Mancher Bremer Partnerschaftsgründer war sich da nicht so sicher. "Draugs Alfreds" saß inzwischen in einem lettischen Gefängnis, und plötzlich war der Besuch einer West-Delagation im Osten auch nicht mehr etwas so Sensationelles wie noch kurz zuvor.

Visionen, Vorreiter und Nachwirkungen
Deutsche traten in dieser Zeit noch nicht als mutige Investoren lettischer Projekte auf - eher schon als Absender von Spenden und humanitärer Hilfe aller Art. West hilft Ost: 20 Jahre später ist keiner der Bremer Wohlfahrtsverbände mehr in Riga aktiv. Liegt es daran, dass nur gut ankommt, wer auch Geld ausgeben kann?
Geld gut anlegen, dass konnte der Bremer Immobilienunternehmer und Ex-KPD, FDJ- und DKP-Aktivist Klaus Hübotter schon immer, etliche Bremische Bauprojekte der Neuzeit zeugen davon. In den 90er Jahren schien sein Projekt des "Hotel de Rome" fast wie eine edle Insel inmitten der blau-weißen Bauzäune der polnischen Restaurationsfirmen in Riga zu sein. Oft genug sah man Bremische Delegationen als Ehrengäste zwischen Hotel und dem berühmt-berüchtigten "Jever-Bistro" (heute: "Fridays") pendeln - an beiden Orten brauchte man damals weder Fremdsprachen noch Fremd-Währungen. 1995 fiel das Richtfest des 2.Hotelprojekts ("Konventa sēta") mit dem 10-jährigen Städtepartnerjubiläum zusammen, da passte das Feiern gerade wieder gut in die Zeit. Es kam sogar ein eigenes Bremer Fernsehteam angereist, und Henning Scherf knutschte alle die nicht rechtzeitig aus dem Weg gingen.
Heute hat auch Hübotter seinen Ausstieg aus dem Hotelprojekt vollzogen: über vergangene günstige Zeiten läßt sich besser plaudern als über schwierige Verhandlungen mit übermütigen neureichen Letten-Firmen. Das Bremer Fernsehen hat seinerseits in Bremen inzwischen ein schönes neues warmes Studio bezogen und beschränkt sich zum 25. auf die Wiederholung historischer Architekturfilmchen. Und auch über das mehr als drei Jahre in Riga zwischenzeitlich existierende "Hansekontor" in der exklusiven Smilšu iela in Riga verliert heute kein Bremer mehr ein Jubiläumswort: da ist es auch beinahe schon egal, ob es in den 90er Jahren eher peinlich oder einfach nur erfolglos zuging. 

War's früher besser?
Als die 90er Jahre zu Ende gingen, waren oft Sprüche zu hören wie "in den 80er Jahren war es aber doch schöner" (von Bremischer Seite! Gemeint war der Menschenauflauf und die öfffentliche Aufmerksamkeit beim Besuch der Wessis). Auch 1998 und 2001 waren wieder "Feierjahre." Während an die "Bremen Tage in Riga" von 1998 sich vielleicht in beiden Städten keiner mehr erinnert, konnte sich Bremen 2001 ein wenig an die großen 800-Jahrfeiern in Riga anhängen: da waren die Gästedelegationen noch zahlreich, allein schon wegen den großen Gruppen von Jugendorchestern und Sportlerdelegationen. Als 2002 in Tallinn beim Gesangswettbewerb der Eurovision der lettische Beitrag gewann, war wenigstens Corinna May aus Bremen vor Ort: sie wurde 21., ob sie der Siegerin in Bremischem Auftrag gratuliert hat ist nicht überliefert. 
Als die Eurovision 2003 dann in Riga stattfand überlegte Radio Bremen kurz eine Live-Sendung aus der Partnerstadt, strich es aber schnell wieder. Ob Bremer  2004 in Riga mitgefeiert haben, als Lettland in die EU aufgenommen wurde, oder ob die deutschen Partner eher froh waren, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit erst 2011 kommen soll, dazu ist ebenfalls nichts aus dem Schwesternschafts-Innenleben bekannt geworden. Die Bremischen Häfen kooperierten derweil eher still und leise, wenn auch mit Schwerpunkt eher im baltischen Schwesterstaat Litauen. 

Jetzt also wurde wieder gefeiert - am 16.Oktober, einem bisher im Partnerschaftsalltag eher weniger geschichtsträchtigen Datum. Wenn es sonst um Geschichte geht, ist den Bremern einerseits ihre Unterstützung für die Überlebenden des Holocaust in Lettland und der Kontakt zur jüdischen Gemeinde in Riga wichtig; der Historiker Margers Vestermanis wurde ebenso im Bremer Rathaus schon geehrt und ausgezeichnet wie die ehemalige lettische Präsidentin Vīķe-Freiberga und die Buchautorin Sandra Kalniete, alle drei wohl auch wegen ihrer klugen Aktivitäten um Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln aufzuarbeiten. Geschichtsaufarbeitung betreibt auch der Bremer "Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge" vor allem mit regelmäßigen Jugendcamps in Lettland (plus lettischer Beteiligung bei anderen Workcamps des Volksbunds).

Jubiläum schon Geschichte
Im Rigaer Geschichtsbuch mit der Seite "Oktober 2010" sind nun auch drei "Riga Tage in Bremen" verzeichnet - die Rigaer Seite rechnete dabei in ihren Pressemeldungen offenbar eher die Dauer des Aufenthalts ihrer Delegation zusammen als die Dauer der Veranstaltungen (denn die Dauer verschiedener Ausstellungen kann ja wohl nicht gemeint sein). Wenigstens die Bilanz der zum Jubiläum in Bremen in den Vordergrund gehobenen kulturellen Themen fällt aber ganz ermutigend aus: Im September erzeugte eine Ausstellung Bremischer Kunst in Riga für mindestens ebenso viel Aufsehen unter Kulturinteressierten wie jetzt das Gegenstück von immerhin 18 verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern aus Riga in der Städtischen Galerie in Bremen. Wer 25 Jahre zurückblicken mag, wird auch zwei Bremische Kulturhäuser nicht vergessen wollen: das Bürgerhaus Mahndorf (mit vielen Ausstellungen und Einzelveranstaltungen) und das Bürgerhaus Weserterassen (zuletzt mit einem Bremisch-lettischen Jugendmusical). Und wer lieber genau am 16.Oktober feiern wollte, der wird das Konzert des Bremer Jugendsymphonieorchesters in der Bremer Glocke als besonderen Höhepunkt empfunden haben - auch wegen der herausragenden Solopartien in Schumanns Klavierkonzert a-moll von Pianotalent Arturs Cingujevs aus Riga.

Wie lange all dies im Gedächtnis bleibt, und vor allem wie groß die Chancen für Bürgerinnen und Bürger aus beiden Städten ist, auch abseits von Jubiläen Hilfe und Unterstützung ihrer Stadtoberen für Kooperationsprojekte zu bekommen, muss abgewartet werden. Allzu beliebt ist der Spruch "beim Geld hört die Freundschaft auf", und ob die Bremer die per Billigflieger einreisenden Letten 2011 eher als potentielle Billiglohnarbeiter oder als wertzuschätzende Touristen sehen wollen, wird man sehen. Vielleicht kann sich Lettland etwas von der deutschen ökonomischen Stabilität ausborgen und daheim wieder mehr Arbeitsplätze schaffen. Und vielleicht könnte sich in Bremen die Sensibilität für kulturell und historisch verschiedene Perspektiven anderer Länder auch abseits jeden Kommerzialisierungsgedankens mehr im Alltag zeigen.

16. Oktober 2010

Lettische Sprotten gerettet

Bereits mehrere Monate machten sich Lettlands Feinschmecker Sorgen: werden die Rigaer Sprotten von der EU verboten? Kaum ein Laden in Lettland, in dem die schwarzen Dosen mit goldener Aufschrift nicht erhältlich sind, mit fast so viel nationalem Stolz präsentiert wie Riga Balzam oder Laima Schokolade. Wasser auf die Mühlen der Kritiker überspitzter Bürokratie? Nein, die Fisch-Feinschmecker haben Glück gehabt: Lettland hat bei der EU-Kommission erreicht, dass das Räucherverfahren weiter nach traditioneller Art erfolgen kann.

Sorgen hatte der erhöhlte Gehalt von krebserregenden Stoffen wie Benzpyren gemacht, der beim Räucherverfahren der Sprotten nachzuweisen war. Dies war beim Export sowohl innerhalb der EU als auch nach Russland beanstandet worden. Wegen ihres relativ hohen Fettgehalts eignen sich die Sprotten besonders gut zum Räuchern - Ergebnis ist ein Produkt, das im norddeutschen Raum in ähnlicher Form auch als "Kieler Sprotte" bekannt ist. Die spezifische goldene Farbe soll angeblich nur bei den "alten" Methoden in dieser Ausprägung erreichbar sein.
Lettischen Presseberichten zufolge wurde jetzt erreicht, dass auch nach Einführung neuer Rahmenvorschriften zum 1.1.2014 der Gehalt an Benzpyren bei lettischen Sprotten wie bisher verbleiben kann (8 Mikrogramm per kg), während er bei übrigen Räucherfischprodukten erheblich gesenkt werden wird (auf 5 Mikrogramm per kg). Bemühungen des lettischen Landwirtschaftsministeriums zufolge werden "lettische Sprotten" als spezielles landestypische Produkt eingestuft und auf ein mehr als hundert Jahre altes traditionelles Räucherverfahren hingewiesen.

Link:
Arbeitsgemeinschaft der lettischen Fischproduzenten

13. Oktober 2010

Regierungsbildung im Dickicht von Anspruch und Möglichkeit

Obwohl das Wahlergebnis in Lettland eigentlich gleich mehrere Kombinationen einer Koalitionsbildung ermöglicht und sogar die bisherige in Minderheit regierende Koalition eine deutliche Mehrheit erhalten hat, ist die Regierungsbildung nicht einfach. Ursächlich dafür ist das Wahlergebnis im Detail.

Dank des Wahlsystems mit lose gebundenen Listen stimmt das Wahlvolk nicht nur ab, welche Parteien in das Parlament einziehen, sondern bestimmen auch die Zusammensetzung der Fraktionen. Alle fünf politischen Kräfte, welche die 5%-Hürde überwunden haben, sind Parteikoalitionen, innerhalb derer durch die Wähler die Kräfte gründlich neu veteilt wurden.

Die konservativ-nationale Alles für Lettland / Für Vaterland und Freiheit / LNNK wird nun von ersterer Partei mit sieben der acht Abgeordneten dominiert. Obwohl Ministerpräsident Dombrovskis anfangs vorgab, darin kein Problem zu sehen und die Reputation der Liste in Europa als deren eigene Aufgabe bezeichnete, scheint es hinter den Kullissen sowohl aus der Rigaer Burg vom Präsidenten als auch durch Botschaften westlicher Länder Widerstand gegen eine Regierungsbeteiligung zu geben, zumal die beiden anderen Partner auch ohne die Nationalisten 55 von 100 Sitzen im Parlament halten.

Aus eben denselben Quellen scheint die Empfehlung erfolgt zu sein, das russische Harmoniezentrum nicht mehr wie während der letzten 20 Jahre auszugrenzen, sondern in den politischen Alltag mehr einzubeziehen. Dombrovskis war anfangs ja auch mit dem Vorschlag vorgeprescht, neben der Zusammenarbeit im Parlament der Partei auch ein Ministerium anzubieten.

Abgesehen davon, daß dieser Schritt für die Nationalisten nicht in Frage kommt, ist auch in der Einigkeit nicht mehr die Neue Zeit tonangebend, sondern die eindeutig konservativere Bürgerliche Union aus der heraus Ablehnung verlautbart wurde.

Es ist darum kein Wunder, daß seit dem Wahlsamstag aus den verschienenen Parteizentralen wie auch von einzelnen Politiker ein Hin und Her zu hören ist über eventuelle Kombinationen, Ausschußvorsitze und das Parlamentspräsidium. Schon innerhalb der Einigkeit des Regierungschefs gibt es Streit um die Ressortverteilung.

Während also offensichtlich von verschiedenen Seiten Ablehnung zu vernehmen ist, Alles Für Lettland ein Ministerium anzuvertrauen, leidet wiederum das Harmoniezentrum an einem Mangel an kompetentem politischen Personal.

Diese Umstände sprechen insgesamt nicht dafür, daß die nächste Regierung, voraussitchtlich wieder unter der Führung von Valdis Dombrovskis, sehr stabil und lange im Amt sein wird.

Letten sitzen im Kalten auf Schulden

Über die Krise und die wirtschaftliche und soziale Situation in Lettland wurde bereits bereichtet. Es gibt inzwischen Tafeln wie in Deutschland und es gibt “soziale Werbung”, etwa eine Plakataktion mit einem halb mit Lebensmitteln bedeckten und halb leeren Teller nebst der Aufschrift, man möge nicht halb Lettland hungrig zu Bett gehen lassen.

Die Probleme der Privathaushalte lassen sich jedoch nicht nur daran und an wieder steigenden Auswanderungszahlen erkennen; vor Beginn des Winters machen sich die Schulden einzelner Mieter auch für deren Nachbarn unangenehm bemerkbar.

Es ist Mitte Oktober und in Riga wird es langsam so kühl, daß sich abendlich der Wunsch einstellt, die Heizung einzuschalten. In vielen Merhfamilienhäusern und vor allem in den Blockhäusern aus der Sowjetzeit wurde die Heizperiode allerdings schon früher von der Stadtverwaltung festgelegt. Nun aber gibt es zahlreiche Mieter, die noch aus dem Vorjahr Schulden bei den Heizkosten haben. Und darunter leiden alle Mitbewohner, denn auch wenn die Stadtverwaltung versprochen hat, kein Gebäude im Winter unbeheizt zu lassen, bedeutet die Nachbarschaft zu einem Schuldner, daß das eigene Haus erst später berücksichtigt wird und auf dem Lande, wie das lettische Radio jüngst berichtete, möglicherweise mancherorts überhaupt nicht berücksichtigt wird.

Nun hat das Radio als weiteres Beispiel die Mieter eines Hauses in der Valdemāra Straße besucht. Von 50 Parteien haben in dem Gebäude zwei ihre Heizkosten des letzten Winters nicht beglichen; bei einem beläuft sich die Summe auf mehr als anderthalb Tausend Lat, das sind deutlich mehr als zweitausend Euro. In Anwesenheit der Journalisten wurde versucht, den Schuldner zur Rede zu stellen, doch der öffnete die Wohnungstür nicht.

Auch beim Besuch im Büro der Hausverwaltung in einem anderen Gebäude konstatieren die Reporter, daß es wegen Schuldner im selben Haus nach wie vor kalt ist. Die Hausverwaltung will nun endlich juristisch gegen die Schuldner vorgehen, doch ein Gerichtstermin stehe noch nicht fest. Einstweilen würde die Verwaltung gerne selbst einen Kredit aufnehmen, um die Schulde zu begleichen, doch ob dies gestattet wird, hat die Stadtverwaltung noch nicht bestätigt. Rücklagen für einen solchen Fall wurden nicht gebildet.

Hier macht sich bemerkbar, daß die Privatisierung in Lettland nicht konsequent durchgeführt werde. Die Wohnungen wurden durch Vpucher nach der Unabhängigkeit privatisiert, aber es sind keine Wohnungseigentümergemeinschaften der Parteien eines konkreten Gebäudes entstanden. Vielfach verwaltet eine in kommunaler Hand befindliche Institution gleich ganze Stadtviertel.

Letten in Afghanistan

Am Dienstag hat der Regierung hinter verschlossenen Türen beschlossen, einer Verlängerung des Afghanistan-Mandates im bisherigen Umfang von 175 Soldaten zuzustimmen. Verteidigungsminister Imants Lieģis von der Bürgerlichen Union erklärte, dies sei der Beitrag seines Landes zur Stärkung der nationalen und internationalen Sicherheit. Am Donnerstag wird der Beschluß dem Parlament vorgelegt.

In der lettischen Bevölkerung ist die Mission in Afghanistan kein wichtiges Thema. Militärisches hat schon vor der Einführung der Berufsarmee im Jahre 2007 keine Diskussionen provoziert. Überhaupt gtib es wenig durch die Medien ausgetragene öffentliche Dispute im Lande, die dann auch an (an solchen kaum existierenden) Stammtischen, im Freundes- und Familienkreis ihre Forsetzung fänden.

Im engerem Umkreis der entsandten Soldaten ist der Einsatz in Afghanistan natürlich sehr wohl ein Thema. Dabei geht es unter anderem um den guten Sold, der die Soldaten in die Lage versetzt, ihre Kredite auf einen Schlag zurückzuzahlen.

Die an der Regieung beteiligte Union von Grünen und Bauern hatte sehr wohl im Wahlkampf unter anderem damit geworben, die Soldaten in nächster Zeit abzuziehen. Doch das ist ein natürlich dehnbarer Begriff. Eigentlich könnte die Partei eventuell auf die Unterstützung der russischen Kräfte Harmoniezentrum und der im nächsten Parlament nicht mehr vertrenen Für die Rechte des Menschen in einem integrierten Lettland im Parlament hoffen. Der Partei- und Fraktionsvorsitzende Augusts Brigmanis wies jedoch darauf hin, daß Lettland internationale Verpflichtungen eingegangen sei und seine Partei darum bei dieser Abstimmung gegen eine Verlängerung des Mandats nicht stimmen werde.

11. Oktober 2010

Keine Wiederwahl

Die Ergebnisse der Parlamentswahl in Lettland vom vergangenen Wochenende verdienen - abseits der bloßen Zahlen und Fakten - eine nähere Betrachtung. Wie bereits zu Recht von Leserinnen und Lesern dieses Blogs angemahnt, wäre die bloße Schlußfolgerung "die bisherige Regierung kann weitermachen" zu einfach; es gibt einige weitere Aspekte die eine Betrachtung verdienen. 
Verlierer mit langem Atem
Bei den vergangenen Wahlen des Jahres 2006 passierte es das erste Mal, dass eine im Amt befindliche Regierung nach der Wahl weiter regieren konnte. Doch was damals folgte, war nicht politische Stabilität, sondern eher ein gewisser regierungsamtlicher Hochmut: Regierungschef Kalvītis sah sich erheblichen öffentlichen Protesten gegen seine Amtsführung ausgesetzt, und seine "Tautas Partija" (Volkspartei) war zwar mit 23 Sitzen die stärkste Fraktion, mehrere aktive Politiker traten aber aus Protest aus oder wurden ausgeschlossen. Die "Tautas partija" bevorzugte zunächst die Zusammenarbeit mit der "Pirma Partija" (Erste Partei) von "Bulldozer" Ainārs Šlesers und der eher unauffälligen Liste der "Grünen und Bauern". 2007, ein Jahr nach den Wahlen, übernahm dann "Schlachtross" Ivars Godmanis die Regierungsgeschäfte, und hielt bis Februar 2009 durch. Seit Frühjahr 2009 gibt es die Regierung unter dem aus dem Europaparlament zurückgeholten Valdis Dombroviskis (ein studierter Physiker, damit im selben Fach ausgebildet wie Angela Merkel). Und im Vorfeld der Wahlen schlossen sich "Tautas Partija" und "Pirma Partija" mit einigen anderen kleineren Vereinigungen zur Liste "Par labu Latviju" zusammen und gingen in Opposition zur Regierung Dombrovskis, der damit vor der Wahl nur noch einer Minderheitsregierung vorstand.

Zu beachten ist also beim aktuellen Wahlergebnis, dass nun keinesfalls einfach "Jaunais Laiks", die Oppositionspartei von 2006, einen Wahlsieg errungen hat. Angetreten ist "Vienotība" (Einigkeit), eine Listenvereinigung aus drei Vereinigungen, die ihrerseits selbst Sammelbecken von Mitgliedern aus anderen Parteien waren: Jaunais laiks” (Neue Zeit), „Pilsoniskā savienība” (Bürgerliche Vereinigung, un „Sabiedrība citai politikai (Gesellschaft für eine andere Politik). Im Gegensatz zum bei "Jaunais Laiks" auch durch die Eskapaden von Ex-Regierungschef Repše längst zerstörten Ruf als "Saubermannpartei" kam es "Vienotība" sehr zu Gute, dass sich hier eine ganze Reihe der öffentlichen Kritiker am Kurs der vorangegangenen zwei Regierungen unter Führung der "Tautas Partija" (also Kalvītis und Godmanis) auf eine gemeinsame Plattform einigen konnten.

Aktive mit und ohne Regenschirm
Einige der neuen "Vienotība"-Repräsentanten im lettischen Parlament sind alles andere als unbekannt: Artis Pabriks, Politologe und früher mal Rektor der Hochschule Vidzeme in Valmiera, 1998 einer der Gründungsmitglieder der "Tautas Partija", 2004 bis 2007 Außenminister der Regierung Kalvītis, trat aus Protest vor allem gegen dessen Versuche den Chef des Anti-Korruptionsbüros Aleksejs Loskutovs zu entlassen, zurück. Interessant nun, dass nicht nur Pabriks als Außenminister zurückkehren könnte, sondern auch der damals aus ähnlichen Gründen geschasste mehrfache Ex-Minister Aigars Štokenbergs plus der Ex-Korruptionsjäger Loskutovs selbst. Alle drei hatten sich zwischenzeitlich in der "Gesellschaft für eine andere Politik" zusammengefunden.
Ģirts Valdis Kristovskis, mit Vergangenheit sowohl bei "Tēvzemei un Brīvībai"/LNNK ("für Vaterland und Freiheit" TB) wie bei "Latvijas Celš" ("Lettischer Weg", heute aufgegangen in "Par labu Latvijai"), ehemals Verteidigungs- und auch Innenminister, 2008 als Europaabgeordneter der TB Mitgründer der „Pilsoniskā savienība”, wollte dann als Spitzenkandidat für den Posten des Rigaer Bürgermeisters die Stadtverwaltung "nach militärischer Ordnung säubern" (so der Wahlkampfspruch), und wechselt jetzt vom Stuhl des Oppositionsführers im Stadtrat wieder ins Parlament und vielleicht auf einen Ministerstuhl.
Zwei interessante Farbtupfer kandidierten auf der Vienotība-Liste in Zemgale erfolgreich: Atis Lejiņš, dessen Familie 1944 aus Lettland floh, erlangte seine Ausbildung als Historiker in Australien und den USA, arbeitete zwischen 1979 und 1990 am schwedischen außenpolitistischen Institut in Stockholm und gründete1992 das Lettische Außenpolitische Institut LAI (häufiger Projektpartner verschiedener deutscher Stiftungen). Kandidierte zu den Europawahlen 2009 erfolglos auf der Liste der LSDSP (Latvijas Sociāldemokrātiskās Strādnieku Partija - Lettische Sozialdemokratische Arbeiterpartei), und machte im Frühjahr 2010 Schlagzeilen mit seinem Entschluß, sich als LSDSP-Vorstandsmitglied lieber der "Vienotība" anzuschließen (entgegen dem LSDSP-Mehrheitseschluß im Vorstand, sich mit drei kleineren Parteien zusammen die Liste "Atbildība" / Verantwortung zu bilden).  
Ebenfalls auf der Vienotība-Liste in Zemgale gewählt wurde Sarmīte Ēlerte, die schon seit den Zeiten der "Volksfront" politisch aktiv war, nach Privatisierung der Tageszeitung DIENA bis 2008 deren Chefredakteurin war, und als Journalistin nie scheute Themen der Korruption und den Einfluß der "lettischen Oligarchen" wie Ainars Šlesers, Aivars Lembergs, oder Andris Šķēle zu thematisieren. Unter ihrer Leitung wurde DIENA zum Sprachrohr der Kritiker der Regierung Kalvītis und der "Regenschirmrevolution" von 2007. Außerdem war sie als langjähriges Vorstandsmitglied der Soros-Stiftung Lettland bekannt. Wie unbequem sie vielen erschienen sein mag, zeigt die hohe Zahl derjenigen, die sie auf der Liste ausstrichen (das ermöglicht das lettische Wahlrecht) - aber ihre Wahl nicht verhindern konnten.
Stabilität und Verunsicherungen
Es gab also vielfach ermutigende Zeichen, dass sich gerade bei "Vienotība" einige Querdenker und Freigeister zusammentun, die weder als Handlanger irgendwelcher "Oligarchen" (neureiche Menschen die sich Parteien zusammenkaufen) handeln noch unterschiedliche Ausrichtung - teils konservative, teils liberale, teils sozialdemokratische - als Hindernis für eine Zusammenarbeit verstehen. 
Aber zumindest beim Blick auf die wahrscheinlichsten Koaltionspartner (die es auch bisher schon waren) mehren sich die Fragezeichen. 

Manche mögen angesichts der überraschend hohen Wählerzustimmung für die "Zaļo un zemnieku savienība" - der gemeinsamen Liste der Bauernpartei und der lettischen Grünen - vielleicht denken "Bei uns gibt es doch weder viele Bauern noch viele Grüne!" Tatsache aber ist, dass sich hier die "Lembergs-Stipendiaten" wiederfinden, plus eine eigentümliche Mischung aus gewendeten Sowjetfunktionären und ehemaligen Kolchos-Leitern. Plus den Grünen, denen jeglicher Sinn für Weltoffenheit oder liberaler Gesinnung fehlt. Erschreckend daran könnte auch sein, dass hier niemand aus irgendwelchen idealistischen Gründen moralische Ziele anstrebt (ein grüneres Lettland? Wirt und Bewirtschafter sein des eigenen Landes? - so die Wahlsprüche). Nicht einmal auf die Einführung eines Flaschenpfands konnte sich die bisherige Regierung einigen.
Deutlich ist hier vielmehr, wer "Koch" und wer "Kellner" ist: der zwielichtige scheinbare Wohltäter Aivars Lembergs zitiert am liebsten diejenigen, die ihn als nächsten lettischen Präsidenten sehen möchten. Zur Wahl stand er nicht - nur als Regierungschef hätte er zur Verfügung gestanden. Aber den Ton gibt er mehr als jeder andere Kandidat vor: mal ist da von der "Okkupation Lettlands ohne Panzer" die Rede (gemeint sind die Kreditbedingungen des Europäischen Währungsfonds), mal von der "Soros-Bande" welche die Macht in Lettland übernehmen wolle (gegen alle die Projektfördergelder aus den USA annehmen). Zuletzt fiel auch die "Kleine Zeitung" in Österreich auf Lembergs Kampagnen rein, als dort ein Beitrag aus der von Lembergs kontrollierten Zeitung "Neatkarīgā" ("die Unabhängige") erschien, in dem behauptet wurde, die Wahlergebnisse bei den Parlamentswahlen stünden schon vorab fest, da darüber Abmachungen in "Geheimgesprächen" zwischen dem Währungsfonds und den USA getroffen worden seien. Lembergs hatte immer wieder gesagt, er wolle zu den Lettland auferlegten Kreditbedingungen "neu verhandeln". Wo sind die politischen Ziele zum Wohle der Bauern, des Umweltschutzes oder der Ökologie? Dombrovskis muss aufpassen, dass Lembergs Tiraden ihm nicht auf Dauer doch wieder die Spaltpilze in die mühsam gezimmerte "Einigkeit" treiben. 
Zweites Fragezeichen: die Nachwuchsnationalisten
Auch im "nationalistischen Block" gibt es Veränderungen. Während die meisten "Altgedienten" der Vaterlandspartei diesmal nicht wiedergewählt wurden, waren die extremen Nationalisten der "Visu Latvijai" (Alles für Lettland) die Nutznießer der gemeinsamen Wahlliste und träumen nun von stärkerer Regierungsbeteiligung. Ob Hetze gegen potentielle Einwanderer, Russen, Schwulen und Lesben, oder öffentliches Erinnern an die angeblichen Heldentaten der SS-Legion - was hier verbreitet und verkündet wird, hat nichts mehr mit "gesundem Patriotismus" zu tun. Noch zögert Dombrovskis, die Vaterlandsnationalen um den ehemaligen SS-Kämpfer Visvaldis Lācis (der auch schon mal Mitglied der "Grünen Bauernliste" war) und den Jungnationalisten Raivis Dzintars mit in die neue Regierung aufzunhmen - allein zur Sicherung einer Mehrheit im Parlament bräuchte er es nicht. Mal sehen, wie lange die "Einigkeit" hält ...

3. Oktober 2010

Vorlaeufige Wahlergebnisse

Die lettische zentrale Wahlkommission gab eben die vorlaeufigen Endergebnisse der lettischen Parlamentswahlen bekannt. Es fehlen nur noch die Stimmen aus dem Ausland, die bei Eintreffen dem Wahlkreis Riga zugeordnet werden.
Liste 1 / PCTVL - fuer Menschenrechte in einem vereinten Lettland - 1,43% / 0 Sitze
Liste 2 / Vienotiba / 31.09 % / 33 Sitze
Liste 3 / "Razots Latvija" / 0,97% / 0 Sitze
Liste 4 / Saskanas Centrs / 26,03 % / 29 Sitze
Liste 5 / "Tautas kontrole" (Volkskontrolle)  / 0,41% / 0 Sitze
Liste 6 / Liste der Bauernpartei und der Gruenen ZZS / 19,67% / 22 Sitze
Liste 7 / Fuer eine praesidentale Republik / 0,73% / 0 Sitze
Liste 8 / Vereinigung "par labu Latviju" (fuer ein gutes Lettland) / 7,64% / 8 Sitze
Liste 9 / sozialdemokratische Vereinigung ATBILDIBA / 0,63% / 0 Sitze
Liste 10 / Partei Daugava - fuer Lettland / 0,17% / 0 Sitze
Liste 11 / Pedeja Partija (letzte Partei) / 0,87% / 0 Sitze
Liste 12 / Vereinigung "Alles fuer Lettland" und "fuer Vaterland und Freiheit / LNNK" / 7,63% / 8 Sitze
Liste 13 / christlich-demokratische Vereinigung / 0,36% / 0 Sitze

Damit scheint es klar zu sein, dass Ministerpraesident Valdis Dombrovskis mit der gegenwaertig amtierenden Parteienkoalition aus 'Vienotiba", ZZS und "Tevzemei un brivibai" weiter regieren kann. Diese Koalitionsvariante haette 63 der 100 Sitze im Parlament. Insgesamt sind nur noch 5 Parteien in der lettischen Saeima vertreten.

Lettlands 10. Saeima

Lettland hat gewählt. Das Ergebnis befindet sich im Rahmen des jüngst unternommenen Versuches einer Prognose und weicht davon in einer Form ab, die von vielen Beobachtern als positive Entwicklung gewertet werden könnte. Die Wahlbeteiligung ist im Vergleich zur vorherigen Wahl 2006 trotz aller Enttäuschung über die politische Elite stabil geblieben und das Parteiensystem konsolidiert sich. Eine Fraktion weniger zieht in die Saeima ein. Darüber hinaus ist gelungen, was im post-sozialistischen Europa selten vorkommt: eine Regierung wurde im Amt bestätigt, mehr noch, aus einem Minderheitsbündnis wurde eine Koalition mit stabiler Mehrheit. Bereits 2006 hatte ein Minderheitsbündnis einen Wahlsieg errungen, der jedoch zu gering ausgefallen war, um auf einen weiteren Partner verzichten zu können.

Die größten Abweichen von der Prognose liegen im überraschend starken Abschneiden der Einigkeit, die damit deutlich vor dem Harmoniezentrum liegt, das viele Beobachter als Sieger gesehen hatten. Außerdem ist die russische Fraktion Für die Rechte des Menschen in einem integrierten Lettland überraschend deutlich an der 5%-Hürde gescheitert. Die Union von Grünen und Bauern hat entgegen den kurz vor der Wahl deutlich schlechteren Prognosen entsprechend früherer Vermutung abgeschnitten. Ursächlich dafür ist wohl eine große Zustimmen von Rentnern, denen die Einigkeit nicht viel Gutes versprach und die Tatsache, daß dieser meist gesichtslosen Partei wohl viele Unentschlossene schließlich ihre Stimme gaben.

Bemerkenswert ist, daß erstmals angesichts des Ergebnisses gleich mehrere Bündnisse aus nur zwei Partnern rechnerisch möglich. Auch der Sieg der regierenden Koalition ist so groß ausgefallen, daß die zwei größeren Partner Einigkeit und Union von Grünen und Bauern auf den dritten, kleineren, das Parteienbündnis der Für Vaterland und Freiheit, verzichten könnten.

Die Herausforderung der nächsten Tage besteht nun in den Verhandlungen, denn es sind rechnerisch viele Bündnisse möglich und aus politischen Gründen mitunter denkbar. Die Einigkeit hat mit ihrem Vorsprung von mehreren Prozentpunkten zweifelsohne einen Führungsanspruch, der nach Bekundungen des Präsidenten der letzten Tage aus der Rigaer Burg offensichtlich unterstützt wird. Allein der Präsident hat das Recht einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten zu berufen. Für eine Fortsetzung der Koalition spricht auch, daß der Partei- und Fraktionsvorsitzende der Union von Grünen und Bauern dies als den logischsten Schritt bezeichnete und auch die Minister seiner Partei bereits angekündigt haben, ihre Arbeit gerne fortsetzen zu wollen.

Der Schlüssel liegt nun bei der Union von Grünen und Bauern. Diese Partei war in den vergangenen zwanzig Jahren eine der am häufigsten in Regierungskoalitionen vertretenen Parteien. Hinter ihr steht der einflußreiche Bürgermeister von Ventspils, Aivars Lembergs, der als ein wichtiger Oligarch in Lettland gilt. Er könnte auch gemeinsame Sache mit Für ein gutes Lettland von Andris Šķēle und Ainārs Šlesers machen wollen. Letzterer zeigte sich gestern am Wahlabend im Fernsehen deutlich enttäuscht vom schlechten Abschneiden seiner Liste mit nur rund acht Prozent. Ein solches Bündnis könnte aber nur mit Unterstützung des „russischen“ Harmoniezentrums an die Macht kommen, das von den „lettischen“ Parteien seit zwanzig Jahren als Partner abgelehnt wurde. Die gestiegene Popularität dieser Partei hat jedoch bereits im Wahlkampf dazu geführt, daß die „lettischen“ Parteien eine Zusammenarbeit nicht mehr ausgeschlossen haben. Damit bleibt abzuwarten, wem das Harmoniezentrum welches Angebot macht, um den lang gehegten Wunsch nach Machtbeteiligung zu erfüllen und inwieweit die lettischen Partner ihrer Wählerschaft ein solches Bündnis verkaufen können. Sicher ist, daß die um die Neue Zeit herum entstandene Einigkeit aus politischen Kräften besteht, die schon in früheren Regierungskoalitionen auf Ablehnung gestoßen waren.

Außerdem bliebe noch eine Zusammenarbeit des noch nie an der Macht beteiligten Harmoniezentrums mit der Einigkeit, die ob ihrer politischen Kräfte als unbelastet in Korruptionsfragen gilt. Damit wären erstmals sämtliche grauen Eminenzen von der Macht in Lettland entfernt. Die Partner hätten auch zu zweit eine Mehrheit. Im Wege steht einer solchen Koalition neben einer Absage an das siegreiche Bündnis die Frage, wie die Wählerschaft der Einigkeit auf eine Zusammenarbeit mit der „russischen“ Partei reagieren würde. Außerdem dürfte auch innerhalb des Einigkeit Bündnisses Widerstand zu erwarten sein. Die Koalition bräuchte also eine große Mehrheit, um gegen abspringende Abgeordnete immun zu sein. So groß fällt der Sieg der beiden Parteien jedoch nicht aus.

Alle diese Erwägungen wie auch die Tatsache, daß es sich bei allen politischen Kräften, die den Einzug ins Parlament schafften, um Parteienbündnisse handelt, läßt vermuten, daß die Fraktionen, so wie sie sich jetzt konstituieren, kaum eine vier Jahre währende Legislaturperiode bestehen werden. Und damit ist auch vorprogrammiert, daß eine Regierung Dombrovskis mit den bisherigen Partnern als erste nach der Unabhängigkeit vier Jahre regieren kann. Auf der anderen Seite scheint es aber angesichts des Wahlergebnis wenigstens als erst mal seit zwanzig Jahren möglich.

2. Oktober 2010

Lettland vor Schicksalswahl?

Seit einigen Stunden sind die Wahllokale in Lettland geöffnet. Die Bevölkerung hat Gelegenheit, mit dem Stimmzettel dem Unmut gegenüber der politischen Elite auszudrücken. Dabei ist die verbreitete Behauptung, alle Politiker seien Diebe, in der Krise nichts Neues. Die Letten haben Mitte der 90er Jahre nicht besser über ihre politische Führung gesprochen. Gleichzeitig hat der Wähler aber auch im Gegenteil zum nördlichen Nachbar Estland nie für einen Elitenwechsel gesorgt, sondern Personen und ihren Versprechungen vertraut, nicht selten begründet durch politische Werbung. Das Ergebnis war eine dynamische politische Landschaft mit einer Kakophonie sich beständig wandelnder politischer Kräfte, an deren Spitze aber mehr oder weniger immer dasselbe Personal stand. Auf diese Weise konnte noch vor vier Jahren die damals regierende Minderheitsregierung von Aigars Kalvītis während der soagenannten „fetten Jahre“, als die Kreditgelder reichlich flossen, eine Wiederwahl mit absoluter Mehrheit feiern.


Was ist diesmal anders? Lettland steckt in eier tiefen witrtschaftlichen und moralischen Krise. Die einflußreichen politischen Persönlichkeiten, die während Jahren einen wirtschaftlichen Aufschwung (auf Pump) realisieren konnten, haben abgewirtschaftet. Ein junger Ministerpräsident ohne Korruptionsverdacht führt die Regierungsgeschäfte und eine seit zwanzig Jahren auf einen Ausgleich zwischen russischen und lettischen Bevölkerungsteilen orientierte Partei, welche bislang von allen Regierungen ausgeschlossen worden war, erringt inzwischen nie dagewesene Popularitätswerte.


Seit Wochen ist der Ausgang der Wahl vergleichsweise offen und schwer zu prognostizieren, wenn auch gewisse berechtigte Vermutungen über die Stärke der politischen Kräfte bestanden. Wie immer sind bis kurz vor der Wahl sehr viele Wähler unentschlossen und zahlreiche wollen ihren Unmut durch den Boykott des Urnengangs zum Ausdruck bringen.


Exkurs: Dabei ist in Lettland eine Protestbekundung durch Stimmabgabe komplex. Einen Stimmzettel ungültig zu machen durch nicht vorgesehene oder auch unflätige Kommentare ist so gut wie ausgeschlossen. Der Einwurf eines leeren Umschlages in die Urne gilt jedoch als Wahlbeteiligung und die 5%-Hürde gilt in Lettland bezogen auf alle abgegebenen, nicht nur die gültigen Stimmen.


Die Stimmung unmittelbar vor der Wahl und heute am Wahltag hat sich bedingt verändert. Es scheint inzwischen möglich, daß die Partei Für die Rechte des Menschen in einem integrierten Lettland den Sprung ins Parlament eventuell verfehlt. Diese Partei geht zurück auf jene Kräfte, die 1991 den Zusammenbruch der Sowjetunion verhindern wollten. AS2, die Listenverbindung der Oligarchen, die unter dem Namen Für ein gutes Lettland firmiert, könnte auch deutlich unterhalb den je 5% für die beiden ursprünglichen Kräfte Volkspartei und Lettlands Erste Partei abschneiden. Es handelt sich hier bei um jene Politiker, welche die Politik der vergangenen zwanzig Jahre wesentlich mitzuverantworten haben und vermutlich nur noch von den Profiteuren dieser Zeit unterstützt werden. Obwohl diese Partei wie die umfangreiche Wahlwerbung vermuten läßt, über die größten Geldvorräte verfügt, scheinen die Plakate ihre Wirkung zu verfehlen.


Die Grünen und Bauern-Union plakatiert zwar den nach wie vor in Lettland populären Bürgermeister von Ventspils, Aivars Lembergs, als Kandidat für das Amt des Regierungschef, doch sein Konterfei wird nicht verwendet, Lembergs steht auf keiner Liste und hat auch öffentlich eine Kandidatur ausgeschlossen. Schien für diese selten Position beziehende politische Kraft ein Ergebnis von 20% erreichbar, so geben die jüngsten Stimmungen ihr nur etwas mehr als die Hälfte.


Was sind nun nach der Wahl wahrscheinliche oder mögliche Szenarien? Die derzeitige Minderheitsregierung von Dombrovskis könnte die Wahl für sich entscheiden. Präsident Zatlers hat bereits mit mehreren Äußerungen angedeutet, daß er Dombrovskis als Ministerpräsident bevorzugt. Doch auch das „russische“ Harmoniezentrum wird stark werden und bietet damit Chancen zu neuen Kombinationen. Die Partei wird außerdem verhandlungswillig sein, weil sie sich endlich an der Macvht beweisen will. Vorstellbar ist deshalb sogar der Verzicht auf das Amt des Regierungschefs zugunsten einer kleineren Partei.


Eine Koalition aus der Einigkeit des Regierungschefs und dem Harmoniezentrum böte die Chance auf einen Ausschluß der bislang regierenden Oligarchen. Gleichzeitig ist unter den Politikern der Einigkeit mit Widerständen zur rechnen, weshalb eine solche Zusammenarbeit nur bei einer deutlichen Parlamentsmehrheit denkbar ist.


Viele Kommentatoren sehen deshalb die Grünen und Bauern als Königsmacher. Für welchen der beiden potentiellen Sieger, Harmoniezentrum oder Einigkeit, sie sich als Partner entscheiden, wird das Rennen machen, wobei sicher auch in dieser „lettischen“ Partei mit Widerspruch zu rechnen ist.


Als sicher darf gelten, daß eine Regierung aus den Grünen und Bauern mit der Oligarchenkoalition und den Nationalisten als Mehrheitsbeschaffern für Lettland bedeutete, daß sich schlicht überhaupt nichts ändern würde.


Insofern ist die heutige Wahl eine Schicksalswahl zwischen einem weiter so, was das Land sicher dauerhaft zum Mezzogiorno der EU machen würde, einer deutlichen Veränderung oder Ungewißheit, wie die Zukunft aussehen soll. Die Antwort liegt in der Bereitschaft der lettischen Bevölkerung, den russischen Bevölkerungsanteil, der zu einem großen Teil inzwischen Lettisch spricht, über die Staatsbürgerschaft verfügt und nicht als fünfte Kolonne Moskaus zu betrachten ist, als vollwertige Mitbürger zu akzeptieren.