24. Januar 2011

Der Luschkow-Faktor

Ein Gespenst geht um...
Ein interessanter Antrag erzeugte in der vergangenen Woche Aufsehen in Lettland. Die russische Milliardärin Jelena Baturina und ihr Ehemann, der ehemalige Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow, suchen einen neuen Aufenthaltsort außerhalb Russlands. Die "Welt" hatte den offenbar in Ungnade gefallenen abgesetzten Bürgermeister zu einem der "Verlierer 2010" gekürt. Drei Länder geraten in den Fokus von Spekulation und Gerüchten: Großbritannien, Österreich und Lettland. 

Noch im Dezember verbrachte Luschkow in Tirol Schneeferien, schenkte der dortigen Bergrettung ein Schneemobil, und machte in der Presse auch dadurch Schlagzeilen, dass er um Polizeischutz nachsuchte - also offenbar ein nicht ganz sorgenfreier Urlaub (siehe TT-com). Aber auch am vergangenen Wochenende, als die Skirennen auf der "Streif" in Kitzbühl liefen, war wieder von russisch-finanzierten Promi-Parties in der österreichischen Presse zu lesen (siehe news-at, Kleine Zeitung). Der ORF spekuliert über Immobiliengeschäfte der beiden reichen Russen und vermutete einen Wohnsitzwechsel nach Österreich bereits seit Ende September (ORF 29.9.10).

Im November 2010 hatte Luschkow seine beiden Töchter nach London bringen lassen - weil er angeblich um deren Sicherheit fürchte, so gibt zum Beispiel "Russland-Aktuell" Luschkovs Äusserungen in der Presse wieder.
Und warum Lettland? Erst seit wenigen Monaten hat ein lettisches Gesetz Gültigkeit erlangt, nachdem ein Investor auch aus Russland dann eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen kann, wenn er bzw. sie mindestens 50.000 Lat investiert hat (ersatzweise auch Bankeinlagen). Vergangenen Sommer waren in ganz Riga entsprechende Plakate der "Rietumu banka" (West-Bank) zu sehen: willkommen in Europa! Das sollte also kein Problem darstellen für jemand, der laut Presseberichten 200.000 Euro eben gerade in eine lettische Bank investiert hat - Sie raten richtig: bei der "Rietumu banka". War das also schon Voraus-Werbung für eigene Wunschvorstellungen? Na ja, im Sommer war Luschkow noch Bürgermeister in Moskau.
Oder erwacht da eine alte Sehnsucht aus Sowjetzeiten wieder, als verdiente Funtionäre sich die Datschas in Jurmala reservierten?

Unbeliebt bleibt unbeliebt
Die Kommentare auf lettischen Internetportalen zu dieser Nachricht gingen in die Hunderte. 30 Tage hätte die zuständige lettische Behörde Zeit gehabt, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu prüfen. Der von Luschkow im Antrag erwähnte zukünftige Aufenthaltsort erwies sich ein "Lagerschuppen" in Jurmala. Zwar meinte Ex-Außenminster Pabriks, der inzwischen fürs Militärische zuständig ist, er halte es für "nicht tragisch", wenn dem ruhelosen Ex-Bürgermeister eine Aufenthaltserlaubnis erteilt würde. Doch es waren noch keine 24 Stunden seit Bekanntgabe in der Presse vergangen, da hatte die zuständige lettische Innenministerin Linda Mūrniece den prominenten "Obdachsuchenden" bereits auf die "schwarze Liste" von in Lettland unerwünschter Personen setzen lassen.
Ein guter Grund, um ähnlich wie die russische Zeitung "Vesti Segodnya" mal nachzufragen, wie lang diese "schwarze Liste" eigentlich ist: die Namen von über 5000 Personen sollen dort verzeichnet sein, insgesamt etwa 1000 Personen soll die Einreise nach Lettland verweigert sein.

Die strikte Ablehnung der lettischen Behörden hat wohl damit zu tun, dass Luschkow sich früher bereits häufig kurzzeitig in Lettland aufgehalten hatte und dabei mehrfach mit Äußerungen Aufsehen erregt hatte wie etwa der Erwartung Russisch müsse zweite Amtssprache werden. Muss uns da unheimlich werden - Ausweisung wegen regierungskritischer Äußerungen? Das kannten wir eher aus anderen Ländern. Aber besteht wirklich Grund zur Sorge in diese Richtung? 
Baltic-Course zitiert Kommentare englischsprachiger Medien, die etwas ironisch das Bild zitieren, das russischen Medien oft und gern von Lettland zeichnen: "heimgesucht von Faschisten und regiert von russenfeindlichen Ethnokraten". Und ausgerechnet dort wolle so jemand wie Luschkow nun sich niederlassen? "Luschkow, der als Bürgermeister einst die lettischen Sprotten aus den Supermärkten verbannen ließ?"
Askolds Rodins, Kommentator bei der lettischen Zeitschrift IR, kennt andere Luschkow-Sprüche. Demnach sollen Aussagen gefallen sein wie "Lettland betreibt Genozid gegenüber den eigenen Mitbürgern" und Vergleiche mit dem Pol-Pot Regime in Kambotscha. Dafür habe sich Luschkow niemals entschuldigt, oder diese Aussagen richtig gestellt. Harter Tobak. -

Einer der Ablehnungsgründe soll nun gewesen sein, dass Luschkow eben nicht in Lettland investieren sondern die Aufenthaltserlaubnis lediglich zur freien Reisemöglichkeit in Europa nutzen wollte.

Nun gut, es ist spannend mitzuverfolgen, ob der Ex-Moskowiter nun irgendwo anders Obdach und dauerhaftes Aufenthaltsrecht gewährt bekommt - bisher sieht es nicht so aus, weder in Österreich noch in England. Das lettische Parlament hat sich inzwischen die Überarbeitung des Investoren-freundlichen Gesetzes zur Aufgabe gestellt - von "Präzisierung" ist hier die Rede, sowohl bei Regierung wie offenbar auch bei der Opposition. Na denn: frohes Schaffen!

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