25. Juli 2012

Jenseits von Olympia ...

Während in London die Olympiade beginnt, ist für den Letten Alexandrs Briedis die Organisation von Sportaktivitäten bereits seit Jahrzehnten Alltag. Wer den rüstigen 74-jährigen zum ersten Mal sieht mag vielleicht für einen Moment lang denken: was macht so ein alter Herr unter so vielen jungen Leuten? Aber wer genauer hinsieht, wird schnell feststellen: mit allen Anwesenden gleich welchen Alters geht Briedis vertraulich um, ist stets als erster am Ort des Geschehens, informiert nachsichtig, aber mit fester Stimme Regelunkundige, und so wird klar: es muss sich hier wohl um einen echten "Spiritus rector" handeln.

Aleksandrs Briedis im Einsatz
Treffen wird man Alexandrs Briedis in diesem Sommer vielleicht in einem der Parks oder den angrenzenden Erholungsgebieten in und rund um Riga: montags auf der Kartbahn im Wald von Biķernieki, mittwochs im Uzvaras Park, donnerstags im Park von Bieriņi am Flüsschen Mārupīte, und freitags im Mežapark. Briedis organisiert Fahrrad-Wettbewerbe für Kinder und Jugendliche, und hat ein einzigartiges Motto dafür gefunden: "Nekur Eiropā – tikai Latvijā Riteņvasara visdemokrātiskākās sacensības" (nirgendwo in Europa - die aller-demokratischten Wettbewerbe, nur in Lettland). Wer Briedis beim Organisieren zusieht, bekommt bald einen Eindruck davon, was er unter "demokratisch" versteht: jede und jeder bekommt eine Chance, die Antrittsgelder sind gering oder ganz erlassen (die Siegerpreise entsprechend von Firmen gesponsert), kleinere Kinder bekommen es nur mit etwa gleichstarken Altersgenossen zu tun. Und sind einmal nicht genug ehrenamtliche Helfer an den Stellen wo sie gerade gebraucht werden, ist Aleksandrs Briedis auch schon mal mit Trillerpfeife, Magaphon, Start- und Zielflaggen und mehreren Taschen gleichzeitig beladen zu sehen. Der Wettbewerb muss schließlich weitergehen - und ordnungsgemäß zu Ende geführt werden.

lettischer Sportlernachwuchs
Briedis' Einsatz hat inzwischen bereit mehrere Jahrzehnte Tradition. Nachdem er 1962 an der Universität in Riga seinen Abschluß als Jurist gemacht hatte, begann er seine Arbeit beim Auto-Motor-Klub in Bieriņi (einem Stadtteil im südlichen Riga). Außerdem arbeitete er in der heute legendären Mopedfabrik des "Sarkana Zvaigzne" ("Roter Stern", ehemals Ērenpreiss", dann Rīgas velosipēdu rūpnīcu RVR). Bereits zu Schulzeiten hatte Briedis sich als Bastler an Mopeds und Fahrrädern hervorgetan, als Student organisierte er Lettlands ersten Moto-Ball Wettbewerb (Ballspiel mit Mopeds, siehe auch www.motoball.de). Unter dem Dach der DOSAAF (eine Art "Armeesportklub" der technischen Hochschulen) gelang es Briedis zusammen mit einigen Freunden schon 1958 einen Motorsportklub in Riga zu gründen.
ein Fotos aus der lettischen Sportgeschichte

Seit 1961 gibt es Wettbewerbe auch für Geländemotorräder, seit 1964 die Wettbewerbe auf den Trassen von Baldone und Bieriņi für Kinder und Jugendliche. Und gleichzeitig wurde auch "Skijoring" wiedergelebt (von „Skijöring“ / Skikjøring aus dem Schwedischen / Norwegischen) - Skifahren mit Seil angespannt an Autos, Motorräder oder Pferde. Etwa 1000 Skijoring-Sportlerinnen und -Sportler soll es in den 80er Jahren in Lettland gegeben haben.

"Aleksandrs kontrolliert die Mopedmanie" schrieb die Zeitschrift SPORTS einmal über die vielen Aktivitäten von Aleksandrs Briedis."Er hätte auch ein berühmter Anwalt werden können", spekulierten die lettischen Sportjournalisten, "statt dessen feiert auch der von ihm ins Leben gerufene Wettbewerb des 'Goldenen Mopeds' in diesem Jahr schon ihr 40.Jubiläum." Das war 2011. Briedis meinte einmal zu seiner möglichen juristischen Karriere dass die entsprechenden Kenntnisse ihm damals sicherlich auch geholfen haben, Genehmigungen für die verschiedenen bis dahin nicht praktizierten Sportarten und eingesetzten Maschinen zu bekommen. Wechselweise seien den Gründern damals mal anti-sowjetische Aktivitäten, mal unmoralische Angebote für die Jugend mit kapitalistischer Charakteristik vorgeworfen worden, erzählt der Sportveteran. Auch heute noch sei es wichtig, Kindern und Jugendlichen etwas anzubieten, wo wie sich köperlich draußen bewegen können, oder wo sie eben ihre Fahrsicherheit testen können.

Gebt mir ein Sportgerät!
 Auch mit dem Jugendhaus "Anna 2" arbeitet er inzwischen zusammen und organisiert Fahrrad- und Moped-Wettbewerbe. Und wer so bekannt ist, darf sich auch nach Jahrzehnten voller Aktivitäten nicht vor allerlei Anfragen scheuen. "Neulich nahm mein sechsjähriger Junge an dem Radrennen im Uzvaras-Park teil", fragt eine besorgte Mutter auf dem Portal "Ritenvasara" an, "wie kann es sein, dass er in der Erwachsenengruppe starten musste?" - Nein, alles wird seine Ordnung haben. Solange Alexandrs Briedis dabei ist, werden die Fragen beantwortet werden, Teilnehmer gesichtet und zum Start bereit gemacht, und alle Rennen gerecht für alle durchgeführt. Fast jeden Tag an einem anderen Ort in Riga, Woche für Woche. Lai veicas!

Mehr über Aleksands Briedis (engl.) / Zelta mopēds / Fahrradwettbewerbe "Riteņvasara"

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