10. Juli 2015

Papi am Pranger

Steuersünder legen ihr Geld gerne in der Schweiz an - das ist spätestens seit dem Aufkauf von illegal erzeugten Datenlisten bekannt, die von den zuständigen Ämtern in Deutschland aufgekauft wurden, um die betreffenden Personen zur korrekten Steuerzahlungen auffordern zu können. Allein 24.000 Menschen sahen sich im Jahr 2013 zu einer "freiwilligen Selbstanzeige" veranlasst, 2014 waren es noch mehr - um befürchteten Strafzahlungen möglichst zuvorzukommen. Ab Januar 2015 wurden zudem die entsprechenden gesetztlichen Bestimmungen erheblich verschärft. Öffentlich diskutiert wurden vor allem die Fälle, wenn - eigentlich illegal, da die Ämter solche persönlichen Angaben nicht herausgeben dürfen - doch prominente Namen sich in der Presse wiederfanden, so etwa Uli Hoeneß oder Alice Schwarzer. Inzwischen wollen sogar die Schweizer Behörden selbst Daten von deutschen Steuersündern ins Internet stellen, wenn sie auf anderem Wege nicht erreichbar sind.

Schulden am Kind
Solche Verfahren scheinen auch in Lettland der Trend zu sein - Ämter stellen private Daten ins Internet. Momentan erzeugt Aufsehen, was eine lettische Behörde unternommen hat, die seit 2004 für die Garantie der Unterhaltszahlungen zuständig ist (Uzturlīdzekļu garantiju fonds - UGF). Seit dem 1.Juli 2015 steht dort eine Liste von Personen öffentlich im Internet, die mit Unterhaltszahlungen im Rückstand ist - vorab genehmigt durch Beschluß des lettischen Parlaments (lsm). "Eine Maßnahme zum Schutz der Kinder", so die Behörde."Im Laufe von 11 Jahren haben die Zahlungsrückstände insgesamt 140 Millionen Euro erreicht", sagt Edgars Līcītis, Direktor der UGF. 90 Euro zahlt die UGF für Kinder bis zu 7 Jahren monatlich, für ältere bis zur Volljährigkeit 108 Euro. Man hoffe noch immer, dieses Geld von den säumigen Vätern (in seltenen Fällen auch Müttern) zurückzubekommen, und die Gesellschaft habe ein Recht zu erfahren, was der Staat inzwischen finanzieren müsse. Härtefälle würden natürlich berücksichtigt, aber es sei zu vermuten, dass viele ihre wahren Einnahmen verheimlichen.

Schulden am Staat
So finden sich nun Name, Nachname, Geburtsjahr und erster Teil der Personennummer auf öffentlich einsehbarer Liste. Die typischen Zahlungsverweigerer seien Männer bis 40 Jahren, die offiziell angeben, monatlich weniger als 100 Euro zu verdienen, so die Behörde.
Ganze  29.561 Personen sollen es sein, die gegenwärtig ihren Ex-Frauen, Ex-Männern bzw. Kindern ganz oder teilweise Unterhalt schuldig sind.Öffentlich einsehbar sind nun aber nur etwa 1700 davon, 122 davon Frauen. Ausgenommen von der Veröffentlichung sind Betroffene mit körperlichen Beeinträchtigungen, Arbeitsunfähige und alle diejenigen, deren ehemalige Ehepartner der Veröffentlichung nicht zugestimmt haben. Es hätten auch schon einige bei der Behörde angerufen und gefragt, was sie tun können um von der veröffentlichten Liste gelöscht zu werden, berichtet Linda Sparāne, Chefin der juristischen Abteilung der UGF.

Im Jahr 2014 zahlte die UGF an 19.092 Personen eine Beihilfe zu Gunsten der unter ihrer Obhut lebenden Kinder, nur 156 Neuträge wurden abgelehnt (siehe Jahresbericht), in 525 Fällen konnte die Zahlung eingestellt werden, weil das verantwortliche Elternteil selbst die Zahlungen übernahm. 29.650 Kinder profitierten davon.
Im lettischen Fernsehen (Panorama) werden Frauen interviewt, deren Männer die Alimente verweigern. "Soll er doch mal seine Verantwortung anerkennen!", meint Santa, eine Betroffene, Mutter von drei Kindern. "Aber die Veröffentlichung wird nicht ändern, gar nichts", meint sie. "Vielleicht zahlt er für seine zwei Autos, vielleicht für die Wohnung - aber Schulden gegenüber dem Staat? Niemals!"

Ungeteilte Freude an Kindern - hier in Riga - am besten
in ungeteilten Familien
Schuldner im Netz
Doch dem neu geschaffenen öffentlichen Pranger droht Widerstand. Juris Jansons, vom Parlament bestellter Ombudsmann für Bürger- und Menschenrechte, verglich die Idee der Veröffentlichung der Zahlungsrückständigen mit der Wiedereinführung eines mittelalterlichen Schandfpahls. Das neue Verfahren widerspreche Paragraph 96 der lettischen Verfassung, welcher die Unverletzbarkeit der Privatsphäre festlege. Jansons kündigte an, Protest beim lettischen Verfassungsgericht einlegen zu wollen. Dabei bezweifele er auch die Effektivität dieser "Geldeintreibung": die Schuldner seien zumeist mittellos, und das Risiko ins soziale Abseits zu rutschen, sei in Lettland, mit sehr niedrigen Löhnen in vielen Bereichen, eben riesengroß.Jansons weist auch auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hin, der ebenfalls für den Schutz des Privatlebens eintritt.

Noch hat es keine Fälle in sozialen Netzwerken gegeben, wo die nun öffentlich zugänglichen Daten säumiger Zahler ausgenutzt würden. Noch ist nicht abzusehen, ob die neu geschaffene Regelung auf Dauer Bestand haben wird.

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