27. Mai 2016

Spargel-Lette

Die lettischen Medien vermelden Sensationen auch von der lettischen Landwirtschaft: da probiert doch tatsächlich ein lettischer Landwirt, nahe des nordöstlichen Örtchens Gulbene soll sein Hof liegen, Spargel anzubauen. Kein Hanf, Buchweizen, graue Erbsen? Nein, es ist tatsächlich dieses Stangengemüse, dem Norddeutsche eine ganze "Saison" widmen - viele Letten aber noch nie probiert haben. Dvaits Spuriņš - seinem Namen kann man vielleicht auch noch die Vorliebe fürs US-amerikansiche ablesen (Eisenhower?) - Herr Spuriņš ist also dem Spargel auf der Spur. Eigentlich handelt er mit Autoreifen - aber Freunde von der schwedischen Insel Gotland sollen den Letten auf den Geschmack gebracht haben. Zusammen mit einem schwedischen Kompagnon willl es Spuriņš demnächst in Riga auf dem Kalnciema-Markt versuchen, auch Käufer für seine Produkte zu finden: den Kalniena-Spargel.

Die Tatsache eines lettischen Spargelbauern allein ist offenbar den lettischen Medien schon Sensation genug (lsm, IR, db). Spargelbauers Frau Agnese wurde mit der Aufgabe betraut, den lettischen Spargel auch Restaurants anzubieten, und erntete, eigener Aussage zufolge, überraschend positive Reaktionen. Sie selbst wirkt noch eher zögerlich, ob ausgerechnet Spargel in Lettland Geschäftserfolg bringen könnte - aber ihr Mann bemüht sich um Kontakte in Schweden, Norwegen und Finnland, wo, wie er überzeugt ist, viele Spargel-Liebhaber leben. "Aber ob das funktioniert, das werden wir wohl erst in drei, vier Jahren sehen," meint er.

Eigentlich ist Spargel-Lette Dvaits Spuriņš "rīdzinieks", also überzeugter Städter und Rigenser. Das Stückchen Land in Kalniena bei Gulbene gehörte seinem Schwiegervater. 2014 fiel der Entschluß, es mal mit einem Hektar Spargel zu versuchen. Inzwischen ist die Webseite der Firma offenbar auch zu so etwas wie einer lettischen Spargel-Infostelle geworden: nicht nur Spargelrezepte und Produktangebote sind hier zu finden, sondern es finden sich Infos auch zur Geschichte des Spargelanbaus, seinen Inhaltsstoffen, dem Wurzelsystem und den Unterschied zwischen grünem und weißem Spargel wie männlichen und weiblichen Pflanzen. Auch Tipps zur Standortwahl, zur Düngung, Erntemethoden und zur Sortenauswahl finden sich hier - ja, sogar Hinweise zur Auswahl des richtigen Weines zum Spargel gibt es (in Deutschland sei es mehr Riesling und Silvaner, in den Niederlanden Elsässer Wein, in Frankreich und Italien eher Chardonnay, meint Dvaits).

Momentan werden allerdings erst Proben für potentielle Kunden verteilt. Frei zu kaufen wird es "Kalniena-Spargel" erst 2017 geben. Für Dvaits Spuriņš ist es eine Geschichte, die nun schon über 25 Jahre andauert: 1989 ging er zunächst als Bauerbeiter nach Schweden, erste Kontakte waren Verwandte seiner Frau. Über die Jahre versuchte er es mit allerlei Geschäften: als Schweißer, Bauarbeiter, Gewürz- und Handyverkäufer.
Vor zehn Jahren hieß es noch: "Spargel ist teuer, schwer zu bekommen und kompliziert anzubauen" (Journal "Māja", 4.5.05). Inzwischen könnte Spargel auch zum Trendgemüse für Gesundheitsbewußte werden - und vielleicht ist der Satz zumindest nicht mehr in allen drei Punkten richtig. Es wird wohl vorwiegend der grüne Spargel sein, den auch deutsche Gäste auf einem lettischen Markt erstehen können. Sollte es so weit sein, muss ich meinen lettischen Bekannten unbedingt noch mal Grünkohl zu essen servieren ...

12. Mai 2016

Ungeliebte Tierchen

2700 Menschen erkrankten in den vergangenen 10 Jahren in Lettland an Enzephalitis - so ist es einem Bericht der lettischen Zeitschrift "IR" zu entnehmen. Sogar 19 Todesfälle sind zu verzeichnen. Das alles steht mit den kleinen Tierchen in Zusammenhang, die gewöhnlich im Sommerhalbjahr zur Last für Liebhaber von Frischluft, Landleben und Sonne werden können: die Zecken.
Dabei sind es sogar zwei verschiedene Arten, die sich auf dem Gebiet Lettlands finden: Ixodes ricinus, auch "Gemeiner Holzbock" genannt, und Ixodes persulcatus, die "Taiga-Zecke".

Auch in Deutschland wurden bereits 141 Landkreise (davon 123 in Bayern und Baden-Württemberg) als FSME-Risikogebiete ausgewiesen, meldet das "Deutsche Ärzteblatt". In Deutschland gab es 2014 etwa 265 klinische Fälle von FSME-Erkrankungen (siehe zecken.de). Fachleute schätzen das Risiko, bei Kontakt mit einer infizierten Zecke an FSME zu erkranken bei 1 : 150.

Leitsatz der lettischen Ärzte: Enzephalitis
ist kein Schicksal - es gibt die Impfung!
In Lettland werden Kinder inzwischen kostenlos geimpft; die lettischen Behörden meldeten zuletzt besonders hohe Befallraten in folgenden Gemeinden: Alsunga, Pāvilosta, Ventspils, Kuldīga, Pārgauja, Engure, Dundaga, Kocēni, Lubāna, Vaiņode, Rucava, Skrunda, Kandava, Amata, Baldone, Talsi, Vārkava, Mērsrags, Aizpute, Sēja, Rugāja, Priekuļi, Durbe, Mālpils, Grobiņa und Roja. Bei den Impfstellen in Lettland sind momentan zwei verschiedene Impfstoffe verfügbar: das in Deutschland hergestellte "Encepur", dem manche Arzneimittelkritiker eine bessere Verträglichkeit bescheinigen als "Ticovax" aus Österreich (siehe "Arzneitelegramm", "Ärzteblatt", "Dr. Martin Hirte").

Lettische Ärzte warnen vor gestiegener Aktivität von Zecken: schon die Klimaerwärmung sorge für stärkere Zeckenaktivität, fast das ganze Jahr über. Na denn: immer schön Hosenbeine in die Socken stecken, und trotzdem einen schönen Sommer!

3. Mai 2016

Aufgehübschter Gemäldetempel


Das Nationale Lettische Kunstmuseum in Riga strahlt
ab sofort wieder in frischem Glanz
Der Rigaer Arzt Nikolaus Himsel, geboren 1729, lebte eigentlich nicht lange, um wirklich etwas Entscheidendes für seine Geburtsstadt bewegen zu können - er war Stadtarzt, starb aber selbst im Alter von nur 35 Jahren an einer Infektion. Viele seiner Vorfahren waren Mediziner oder Apotheker gewesen, er selbst wollte lieber reisen, als die familiäre Apotheke zu hüten. 1751 errang er seinen Doktorgrad. Seine Leistung war es dann, dass er eine volle fünf Jahre andauernde Reise penibel genau dokumentierte: in drei dicken Büchern schrieb er seine Reiseeindrücke nieder. Er besuchte 1752-1757 unter anderem Österreich, Hamburg, Lübeck, Bremen, Holland, Frankreich, England, die Schweiz, Italien, Dänemark, Schweden, und St. Petersburg.Er brachte auch Bücher und Kunstwerke von seinen Reisen mit, Instrumenten der Physik und Optik, Präparaten der Anatomie - und einige Jahre später bildeten seine Sammlungen die Grundlage für gleich mehrere heute in Riga existierende Museen: das Rigaer Museum für Stadtgeschichte und Schifffahrt, das Naturkundemuseum, und auch für das Lettische Nationale Kunstmuseum - seine Mutter schenkte, entsprechend dem Vermächtnis ihres Sohnes, die Sammlungen der Stadt Riga. Erstmals ausgestellt fürs Publikum wurden Himsel's Schätze im Jahre 1773 in Räumen des damaligen Anatomietheaters, wo Vorlesungen über den menschlichen Körper und über Heilkunde stattfanden. Dieses "Himsel-Museum" wurde damals nicht nur zum ersten Museum in Riga, sondern des ganzen "Baltikums".

Die Kunstwerke dieser Sammlung wurden ab 1816 erstmals gesondert gezeigt, ab 1866 wurde eine Rigaer Stadtgalerie gegründet, 1870 der Rigaer Kunstverein. Das Gebäude an der Krišjāņa Valdemāra iela wurde 1903-05 im Stil des Historismus gebaut; Architekt war Wilhelm Neumann, der auch Kunsthistoriker war und 1905 zum ersten Direktor des Museums wurde. Die Fassadenskulpturen stammen vom Bildhauer August Voltz, in der Eingangshalle und an den Treppengeländern gibt es Jugendstilelemente, und die Halle des Obergeschosses schmücken sechs halbkreisförmige Gemälde des lettischen Malers Vilhelms Purvītis und des aus Estland stammenden deutsch-baltischen Künstlers Gerhard Paul von Rosen.

der rote Teppich ist ausgerollt: ab dem 4.Mai
wartet ein optimiertes und verschönertes Inneres
die Besucherinnen und Besucher des lettischen
Kunstmuseums

Kunstfreunde in Riga musste leiden - war doch 2014 Riga Europäische Kulturhauptstadt, aber das größte Kunstmuseum der Stadt musste wegen Renovierung schließen. Nun geht es also wieder los: auf zwei Etagen wird es ab dem 4.Mai eine Ausstellung von "Lettischer Kunst des 19.-20. Jahrhunderts" geben, erstmals wird auch Besuchern eine eigene App fürs Handy und virtuell mögliche Rundgänge angeboten werden. Auch ein neues Café und ein Souvenirshop werben um Besucher -  somit kann der 4.Mai, der Jahrestag des Beschlusses zur Erneuerung der lettischen Unabhängigkeit im Jahre 1990, dieses Jahr auch in neuen Räumlichkeiten begangen werden.

Die Rekonstruktion in Zahlen (siehe Delfi.lv): aus 3909 m2 Ausstellungsfläche vorher wurden 8396 m2 - auch durch einen neuen unterirdischen Bereich. Gekostet hat das Projekt 29,8 Millionen Euro, davon hat 16,751 Millionen Euro die Stadt Riga aufbringen müssen, der Rest stammt aus Strukturfondmitteln der Europäischen Union. Etwa 5000 Spezialisten verschiedener Fachgebiete waren am Projekt beteiligt. Es wurden 8704 m3 Beton und 1541,5 t Metall verbaut, 114 Fenster, 51 historische Türen und 515 m2 Holzpaneelen restauriert.