6. Januar 2017

"Bahnhof verstehen" als Vision

Wie wird der Hauptbahnhof Riga in Zukunft aussehen?
Eher wie eine aufgeteilte Apfelsine (dänischer
Entwurf) ...
Manchmal wirkt der Hauptbahnhof der lettischen Hauptstadt wie ein Nukleus veränderlicher Zeiten: wer sich noch an eine Kapelle vor den Bahnhofstoren erinnert, wird den "Dünaburger Bahnhof", 1861 erbaut, jedenfalls vor 1920 gesehen haben. Neben diesem entstand der heutige Hauptbahnhof. Nachdem 1872 die Eisenbahnbrücke über die Daugava gebaut worden und der bisherige "Mitauer Bahnhof" damit eine direkte Verbindung zur Stadt bekam, waren Bahnreisen ab Riga in alle Richtungen möglich. Der "Dünburger Bahnhof" wurde 1885 ausgebaut, bis 1914 wurde eine modernere Bahnbrücke über die Daugava erstellt, und die Station hieß nun zunächst "Riga 1". Nochmals neu erbaut wurde das Bahnhofsgebäude dann in der Nachkriegszeit - nachdem das alte Gebäude 1950 abgerissen worden war. Die Neueröffnung fand am 20. Juli 1960 statt, mit gegenüber dem Stadtniveau erhöht verlegten Bahnsteigen, einem erweiterten Bahndamm bis zur Daugava, und dem noch heute bekannten Uhrenturm, der anfangs auch als Wasserturm genutzt wurde. 
... oder vielleicht wie eine Siegesfackel
die aus der Ferne winkt?
In dieser Form war der Hauptbahnhof Riga lange bekannt. Inzwischen wird der Bahnhofsbereich umringt von Einkaufmeilen ("Origo"). Der neue Uhrenturm wurde ebenfalls 2003 fertig, 46m hoch und mit den Großbuchstaben RIGA auf der Spitze. Im vergangenen Jahr feierte die Lettische Eisenbahn ihr 155.Jubiläum.

und auch die Eisenbahnbrücke
muss erweitert werden (hier
einer der Projektentwürfe)
Nun denken aber Bahn und Stadt erneut über neue Zeiten nach. Wenn die Schnellbahnlinie der RAIL BALTICA mal bis Riga fertig sein sollte (bis 2020 will man zumindest begonnen haben), muss die Verzahnung der Verkehrswege neu gestaltet werden. Das neue Stichwort ist dann "multimodaler Funktionsknotenpunkt". Ende November 2016 wurden die Ergebnisse eines Ideenwettbewerbs veröffentlicht, an dem sich 15 Architekturbüros aus Lettland, Dänemark, Spanien, Frankreich und Estland beteiligt hatten. Wie der Juryvorsitzende Jānis Dripe bekannt gab, habe keiner der Entwürfe völlig überzeugt - daher seien zwei Büros zu Siegern erklärt worden: ein dänisches Projekt und ein lettisches. Beiden wurden 45.000 Euro als Preisgeld zugesprochen. Nun soll in den nächsten Monaten mit beiden Siegern diskutiert werden, wie eine für die konkrete Planung taugliche Lösung aussehen könnte.

14ha Fläche umfasst das Planungsgelände insgesamt. Gegenwärtig müssen Bahnfahrer an mehreren Supermärkten und Ladenzeilen vorbeilaufen, um die Bahngleise zu finden; da sei es nicht ganz ausgeschlossen, dass selbst Einheimische sich auf dem Weg zum richtigen Gleis zwischendurch verirrten - meint Pēteris Bajārs vom lettischen Architekturbüro "OutofBox" (lsm).
Je nachdem wie der endgültige Entwurf der Planungen nun aussehen wird, wird im Zuge der Bahnhofsumgestaltung wohl auch der Autobusbahnhof teilweise oder ganz weichen müssen, ebenso wie das Kaufhaus "Titāniks". Die Durchgangsstraße, von der Daugava zum Bahnhof führend, soll möglicherweise von sechs auf vier Fahrspuren verengt werden, so dass auch ein neues Stück Park neu entstehen kann. Der Zugang zwischen Altstadt und Markt wie auch zum Bahnhof soll für Fußgänger wesentlich erleichtert werden.

Für die Zeitschrift "IR" analysierte der Journalist Mārtiņš Ķibilds die Unterschiede zwischen den beiden siegreichen Entwürfen. "Wenn man heutzutage die Leute überzeugen möchte, mit der Bahn zu fahren, dann reicht es nicht neue Gleise und Bahnsteige zu bauen," schreibt er, "auch die Atmosphäre im Bahnhof und der Zugang zur Stadt sind wichtig." Im Gegensatz zum lettischen habe der dänische auch bereits einen Eindruck der Inneneinrichtig des Bahnhofs geben wollen, so Ķibilds.Der lettische Entwurf sei einer von Maximalisten, meint er. "Nur die Hiesigen kennen eben die Verkehrssituation in Riga genau bis in die Einzelheiten." Der lettische Vorschlag enthält übrigens die Variante, am Haupteingang wieder dasjenige Bild herzustellen, was bereits jahrzehntelang dort bekannt war: die Silhouette der Altstadt. Ein spanisches Büro wurde im Wettbewerb übrigens mit einem Sonderpreis ausgezeichnet: es hatte vorgeschlagen, alle Eisenbahntrassen auf der neu zu bauenden Brücke zu vereinen und die bisherige Eisenbahnbrücke dann für Fußgänger und Radler freizugeben.
Für die Umsetzung des bereits jahrzehntelang geplanten RAILBALTICA-Projekts hat Lettland bisher 246,6 Millionen Euro vorgesehen (Estland 142 Mill., Litauen 144 Mill.). 

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