7. März 2017

Kirche sucht neues Zuhause

Kirche mit Migrationshintergrund? Gibt es sowas? Bei der lettischen evangelischen Kirche könnte man es annehmen. Nein, genauer gesagt: von der "Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands im Ausland" (Latvijas Evanģēliski Luteriskā Baznīca Ārpus Latvijas - LELBĀL). Diese wurde nach dem 2. Weltkrieg gegründet, als Lettland von der Sowjetunion okkupiert wurde, und viele Lettinnen und Letten zunächst nach Westeuropa, dann weiter in andere Länder der Welt flohen.

Etwa die Häfte der evangelisch-lutherischen Priester ging damals weg, die andere Hälfte versuchte daheim, unter strenger Beobachtung des KGB und Gängelung durch die Sowjetbehörden, zu überleben. Beide Teile hatten jeweils ihre Erzbischöfe, und beide sahen sich als Nachfolger der Kirche an, die bis 1940 bestanden hatte.Diese Teilung zwischen LELB (in Lettland) und LELBĀL (außerhalb Lettlands) besteht bis heute.

Gruppenbild mit Frauen: LEBāL und LELB bei einem
der seltenen Gesprächstreffen in Riga
Das scheint wie ein Treppenwitz zum Reformationsjubiläum: der doppelte Luther für Lettland? Seit Wiedererlangung der Unabhängigkeit gab es einige Versuche sich zu einigen - 1998 wurden mal "gemeinsame Regeln" festgelegt, aber vor allem seit dem Mehrheitsbeschluß der lettischen Ev. Kirche unter Bischof Janis Vanags, Ordination von Frauen weiter nicht zuzulassen, sind die Treffen seltener geworden. Das geschah im Frühjahr 2016. In den 50 Jahren getrennter Entwicklung scheinen sich die zwei lutherischen Kirchen Lettlands nun vor allem in einem einig zu sein: man ist sich uneinig.

Lauma Zušēvica ist Erzbischöfin der LELBĀL. Ihre Gemeinden liegen verstreut in Nord- und Südamerika, Neuseeland, Australien und Europa. Aber bereits am 31. Mai 2016 gründete die Auslandskirche eine erste, eigene Propstei im Heimatland: in Räumen der Universität Lettlands in Riga. Priester ist dort nun Kārlis Žols, geboren 1971 in Riga und dort als Priester ordiniert 1996; Žols lebte von 2000 bis 2015 in den USA.
Frauen als Bischöfinnnen,
Priesterinnen und Diakone:
in der Auslandskirche Lettlands
kein ungewohntes Bild mehr
Auch die Mitglieder der Kreuzkirchen-Gemeinde im Küstenort Liepāja hatten sich dafür entschieden, die LELB zu verlassen und hat einen Antrag auf Aufnahme in die LELBĀL gestellt. Der Pastor der Kreuzkirchen-Gemeinde, Martiņš Urdze, selbst in Deutschland aufgewachsen, hatte der Synode bereits vorher angekündigt dass er die LELB verlassen wolle, wenn die Frauenordination unmöglich werde. Aber die Auslandsabteilung der lettischen Lutheraner muss um ihren rechtlichen Status in Lettland noch kämpfen: um die kleine, 1792 erbaute Kirche von Valtaiķu in Kurland (früherer deutscher Name: "Neuhausen"), gab es bereits eine Auseinandersetzung vor Lettlands höchstem Gericht.
Valtaiķu hatte sich, neben einer Kirchengemeinde in Aizpute, der Kreuzkirche Liepāja und Rigas Evangelischer Gemeinde (Rīgas Evaņģēliskā draudze), sich der LELBĀL angeschlossen.

Die Auslandskirche LELBāL kündigte inzwischen an, in Lettland auch Möglichkeiten zum Bau eigener Gotteshäuser in Riga zu erkunden (KasJauns); bisher fanden die Gottesdienste in Kirchen der Methodisten und der Anglikaner statt.

Am 18. März 2017 wird auf dem Domplatz in Riga die Wanderausstellung "500 Jahre Reformation" zu sehen sein (siehe: Europäischer Stationenweg). Vielleicht sollte auch mal jemand nachsehen, ob an einer Kirche zu Wittenberge irgendwelche neue Thesen angeschlagen stehen?